Dorota Kobiela und Hugh Welchman haben aus ca. 65.000 in Öl gemalten Bildern im Stile und nach Motiven van Goghs ein außergewöhnliches Filmprojekt realisiert. Mit Jacek Dehnel entwickelten sie das Drehbuch.
Postmeister Joseph Roulin (Chris O’Dowd) war lange mit dem verstorbenen Vincent van Gogh (Robert Gulaczyk) befreundet. Als ein Brief des Malers auftaucht, bittet Joseph seinen Sohn Armand (Douglas Booth) nachdrücklich, das Schreiben Theo van Gogh (Cezary Lukaszewicz) zuzustellen, doch auch dieser ist inzwischen tot. Er überlebte seinen vier Jahre älteren Bruder um lediglich ein halbes Jahr. Nicht weit von Paris in Auvers, der letzten Schaffensstätte Vincent van Goghs, erfährt Armand einige Merkwürdigkeiten zu dessen Todesursache, sodass er mit eigenen Ermittlungen beginnt.
In 94 Minuten eine Kunstausstellung mit einigen zigtausend Bildern zu absolvieren, muss ein Besucher erst mal schaffen. Der Kinogänger erhält diese Gelegenheit, wenn er mit „Loving Vincent“ die Verwandlung der vielen Einzelstücke zu einer Animation erfährt. Auch der nicht versierte Genießer der bildenden Künste erkennt in der Regel einen van Gogh. Die weit über 100 an der Produktion Beteiligten haben sich bei der Umsetzung der zunächst real gefilmten Szenen an den Mitbegründer der modernen Malerei gehalten und damit etwas visuell äußerst Beeindruckendes geschaffen. Das gilt im besonderen Maße auch für die in schwarzweiß gezeigten Rückblenden. Wenn Figuren (z.B. Saoirse Ronan als Arzttochter Marguerite Gachet) in verschiedenen Einstellungen zu sehen sind, ist die unterschiedliche Detailfreude gleichermaßen gewöhnungsbedürftig wie interessant. Technisch sind die bewegten Ölgemälde bei rechnerisch nur 12 Bildern je Sekunde sehr schön im Fluss. Ob jeder Liebhaber des niederländischen Malers Gefallen an dem mit großem Aufwand geschaffenen Film findet, mag dahingestellt bleiben. Eine Hommage an Vincent van Gogh sieht das Publikum allemal, als Augenschmaus serviert.
Die Geschichte spielt überwiegend in Auvers. Armand bekommt Kontakt mit einigen Personen, die tatsächlich in van Goghs Leben mehr oder weniger bedeutende Positionen einnahmen. Wie so oft in verfilmten Künstlerbiografien, steht das emotionale Drumherum im Vordergrund, über den Werdegang des Meisters erfährt der Zuschauer nur das Finale. Die faszinierende Darbietung kann das nicht ausgleichen.
Dass Armand als Hobby-Detektiv auf verschiedene Fährten geschickt wird, ist sicherlich ein eigenwilliger Griff. Er klappert die bekannten Dokumentationen, ältere und neuere Theorien und Behauptungen um van Goghs Tod ab und kommt zu möglichen Ergebnissen. Das ist dennoch fesselnd inszeniert. Wer stritt mit wem um was? Wer kann geschossen haben, wenn es der als irre verschriene Maler, der nur 37 Jahre alt wurde, nicht selber war? So ist der Film, der so sehr für das Auge geschaffen ist, auch ein Krimi, mit sattelfest ruhigem Rhythmus unterrichtend, nie langweilig und mit dem herrlich arrangierten Score von Clint Mansell („Black Swan“, „Stoker“, „Drecksau“) unterlegt.
„Loving Vincent“ ist vor allem optisch sehr reizvolles Kino.