Der Versicherungskaufmann mit dem Allerweltsnamen Paul Schneider ist überall das fünfte Rad am Wagen, wozu ein eigentlich sympathischer Gerechtigkeitssinn, kombiniert mit jeder Menge Verbitterung, beiträgt. Der Arme nimmt wirklich jedes Fettnäpfchen mit, weil er sich nicht verbiegen lässt. Klar - so einen mögen wir, zudem einen Mann, der auf sympathische Weise gesetzteren Jahrgangs und also altmodisch ist. Vor allem idealistisch und grundehrlich - und der Ehrliche ist der Dumme, grad wenn es um Wirtschaft geht? Der Leidensweg des Mannes, kombiniert mit des Filmes Warnungen vor Auswüchsen des Kapitalismus, hat glatt etwas von den Filmklassikern eines Frank Capra, z.B. dem Weihnachtsdauerbrenner "Ist das Leben nicht schön?" An den kommt er freilich nicht ganz heran - hey, das ist ein deutscher Fernsehfilm und diese leben meines Erachtens etwas zu oft von Betroffenheitsklischees und gewissem Quotenpersonal wie hier z.B. den Eheproblemen der Hauptperson, einer taffen schönen Anwältin mit Migrationshintergrund und gewissen Kapitalismus-Aufklärungen im Dozentenmodus (grad was die Gespräche Schneiders mit seinem Banker betrifft). Auch ein fieser sich witzig findenden Kollegen-Intrigant ist doch reichlich überzeichnet geraten. Glücklicherweise sind dies aber nur ein paar Wermutstropfen in einem ansonsten höchst erquicklichen Cocktail. Vor allem in der zweiten Hälfte kann der Film über TV-Durchschnittsware hinauswachen, durch eine skurril-abgefahrene Art, bei der gelingt, dem ganzen leicht Überzeichneten die einzige Richtung zu geben, die für sowas gut ist: die einer Komödie, bei der nicht immer alles logisch und vor allem nicht wahrscheinlich sein muss. Es ist einfach herrlich, wie der Film es durchgehend schafft, eine Handvoll höchst unterschiedlicher Personen gegen jede Wahrscheinlichkeit wieder und wieder aufeinandertreffen zu lassen, um sie dann zu einer Art Oceans-11-Truppe zusammenzuschweißen. Klischees sind immer noch am besten, wenn sie nicht ganz ernst gemeint sind, wie z.B. bei dem herrlich blödsinnigen und voller überraschender Wendungen steckenden Gespräch zwischen Schneider, Anwältin und dem "Proll"-Elternpaar von Kevin, einem frischgebackenen Abiturienten, mit dem Schneider aneinandergeraten war. Dem Film gelingt es dabei, scheinbar beiläufig eine nach der anderen Nebenfigur einzuführen und diese am Ende mit einer Pointe noch einmal erscheinen zu lassen, wie z.B. bei einem allzu peinlich auf Mülltrennung achtenden jungen Mann. Es ist eben wie in der Wirtschaft, von der dieser Film ja handelt: Alles hängt mit allem zusammen, und so ergeben auch beiläufige Zufälle wie der, dass ein Security-Mann einen unserer Helden auf einmal als Schulfreund wiedererkennt, einen Sinn. Filmisch hat der Streifen zwar eher Konventionelles zu bieten (obwohl ich schon froh bin, dass sich mal jemand dem Trend der entsättigten Farben und des Gegenlichts im deutschen TV entgegenstellt). Aber erzählerisch kann er weitgehend überzeugen. Interessant ist dabei auch, dass wir, wenn wir völlig ohne Vorwissen den Film sehen, eine Zeitlang überhaupt nicht ahnen können, wer hier sympathisch und wer unsympathisch ist, von ein paar Figuren abgesehen. Aber eine Weile gilt dies sogar für Schneider selbst, und vor allem für Kevin.
Dass am Ende alles gut wird und die Fiesen ihr Fett weg bekommen, ist klar. Dass Schneider nicht doch noch wieder mit seiner Noch-Gattin zusammenkommt, ist erfreulich gegen das Klischee.
Dass hinter allem Überzogen-Schablonenhaften die letztlich sehr erfrischende, humanistische, mutmachende Aussage steckt, dass es relativ einfach ist, etwas gegen Ungerechtigkeit zu tun, wenn man es nur einfach mal wagt, das ist grundsympathisch, meines Erachtens auch wahr - und da sind wir wieder beim großen Frank Capra. Jeder ist wichtig, jeder ist wertvoll. Schön!
Nachsatz: Das Drehbuch ist von Stefan Rogall, der u.a. zusammen mit Annette Kilzer ein Buch über die Coen-Brüder geschrieben hat. Grad in der ersten Filmhälfte hat mich die nicht enden wollende Pechsträhne Schneiders an diverse Anti-Helden aus Coen-Filmen erinnert. Wo allerdings die Coens eine gewisse Mitleidlosigkeit erkennen lassen, ist dieser Film zwar zu Beginn auch ziemlich gnadenlos, aber er gibt die Hoffnung nicht auf. Eben eher Capra als Coen. Ich mag das ehrlich gesagt lieber. Diesem Film sind seine Figuren nicht egal, er nimmt sie ernst statt sie nur als Mittel zum Zweck einer Katastrophenspirale zu missbrauchen.