Nachdem Byambasuren Davaa in „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ und Sergey Dvortsevoy in „Tulpan“ den Alltag der Nomaden in der mongolischen beziehungsweise der kasachischen Steppe in poetischen Bildern dokumentiert haben, fängt Regisseur Mirlan Abdykalykov nun die Geschichte einer Hirtenfamilie in den hochgelegenen, endlosen Graslandschaften des gebirgigen Kirgisistans ein. Er thematisiert die Traditionen und schamanischen Mythen der immer noch in traditionellen Jurten lebenden Pferdezüchter und wandelt dabei zwischen Naturalismus und Poesie: Die betörende Klarheit und Weite der majestätischen Berglandschaften gibt und der überaus ruhige Erzählfluss lassen sein Familiendrama „Nomaden des Himmels“ zu einem beinahe meditativen Ausflug in die vor einem Umbruch stehende Welt der kirgisischen Nomaden werden.
Mit dokumentarischem Blick auch für die ethnographischen Details im Leben der Pferdehirten widmet sich Regisseur Mirlan Abdykalykov der Familie von Tabyldy (Tabyldy Aktanov). Das Oberhaupt lebt zusammen mit seiner strengen Frau Karachach (Anar Nazarkulova), seiner Schwiegertochter Shaiyr (Taalaikan Abazova) sowie deren siebenjähriger Tochter Umsunai (Jibek Baktybekova) in den Bergschluchten des ländlichen Kirgisistans. Shaiyrs Ehemann ist vor Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen und ihr Sohn Ulan (Myrza Subanbekov) ist für sein Studium in die weit entfernte Stadt gezogen. Dann knüpft Shaiyr unter den missmutigen Augen ihrer Schwiegermutter zarte Bande zu dem Meteorologen Ermek (Jenish Kangeldiev), der nicht weit von der familiären Jurte seine Wetterstation errichtet hat. Und als Ulan in den Semesterferien nach Hause kommt und begeistert vom modernen städtischen Leben berichtet, ahnen die Großeltern, dass Shaiyr und ihre Tochter vielleicht nicht mehr lange ein traditionelles Dasein vorziehen werden...
Die schroff-schönen Landschaftsmotive, die musikalisch zumeist nur von einer sanften Flötenmelodie umspielt werden, werden zur Kulisse einer leisen Erzählung über Generationsprobleme und den sachten Widerstreit zwischen schamanisch geprägten Traditionen und den Verheißungen des modernen Lebens. Gänzlich ohne dramatische Zuspitzung zeichnet Mirlan Abdykalykov, Sohn des Filmemachers Aktan Arym Kubat („Der Dieb des Lichts“), in seinem Regiedebüt ein naturverbundenes Leben im Zeichen alter Regeln und der von den Großeltern weitergegebenen Mythen. So ist in der Vorstellung der kleinen Umsunai die Wirklichkeit fest mit den Legenden verwoben und sie findet Trost in der Vorstellung, dass ihr verstorbener Vater sie als Steinkauz umkreist und beobachtet. Die Großeltern, die auch schon einmal Sticheleien gegen ihre Schwiegertochter in die Geschichten für ihre Enkelin einbauen, müssen befürchten, dass die althergebrachten Traditionen irgendwann in Vergessenheit geraten werden. Denn die Zeichen in der kirgisischen Bergregion stehen auf Veränderung, rollen doch nicht allzu weit entfernt Baumaschinen an, um die Erschließung der einsamen Gegend mit der Verlegung einer Eisenbahnlinie voranzutreiben.
Fazit: In „Nomaden des Himmels“ entfaltet sich vor beeindruckender Bergkulisse eine mit dokumentarischer Präzision erzählte poetisch-meditative Familiengeschichte.