Endgültig Schluss mit Kinderkram!
Von Janick Nolting„Maleficent – Die dunkle Fee“ muss man zumindest dafür loben, dass sich die Macher an das Update eines Disney-Klassikers herangewagt haben, ohne den alten Film einfach Szene für Szene nachzudrehen. Immerhin gehört einiges an Mut dazu, ausgerechnet die böse Fee aus „Dornröschen“ zur Hauptfigur und Sympathieträgerin zu erheben. So handelte es sich bei dem ersten Film über die dunkle Zauberin aus dem Jahr 2014 eben nicht um eine simple Neuauflage von „Dornröschen und der Prinz“, stattdessen vollzieht das Projekt einen interessanten Perspektivwechsel. Das bekannte Märchen um die schlafende Schönheit wurde um eine ausführliche Hintergrundgeschichte erweitert, die die teuflische Maleficent plötzlich allzu menschlich erscheinen ließ. Und angesichts des weltweiten Erfolgs des Films (mehr als 750 Millionen Dollar Einnahmen) ist es wenig überraschend, dass die (vielleicht doch gar nicht so) böse Fee noch einmal auf die Leinwand zurückkehren darf.
Für „Maleficent 2: Mächte der Finsternis“ wurde nun statt Robert Stromberg der Regisseur Joachim Rønning angeheuert, der zuvor u. a. auch schon den fünften „Pirates Of The Caribbean“-Teil „Salazars Rache“ inszenieret hat. In dem augenzwinkernden Piraten-Abenteuer konnte er bereits ein durchaus gutes Händchen für bildgewaltige Action beweisen – und das wird nun auch in „Maleficent 2“ dringend benötigt, denn mit einem Märchen für Kinder hat diese Fortsetzung tatsächlich nur noch wenig zu tun. Wo der Vorgängerfilm in Deutschland noch für die Kinoauswertung um 56 Sekunden geschnitten wurde, um eine FSK ab 6 Jahren zu erreichen, hätte man im zweiten Teil wohl noch sehr viel mehr für eine niedrigere Altersfreigabe schneiden müssen – und so kommt der düstere Fantasy-Blockbuster mit krachendem Bombast-Finale nun ungekürzt mit einer gerade für einen Disney-Film durchaus überraschenden FSK-12-Freigabe in die Kinos.
Nur widerwillig stimmt Maleficent (Angelina Jolie) der Vermählung ihrer Patentochter zu.
Nachdem Aurora (Elle Fanning) zur Königin der Moore gekrönt wurde, scheint zunächst alles friedlich im Feenreich. Doch dann macht ihr ihr Jugendfreund Prinz Phillip (Harris Dickinson) einen Heiratsantrag, womit die böse Fee Maleficent (Angelina Jolie) wiederrum so gar nicht einverstanden ist. Um ihr Patenkind nicht zu enttäuschen und den Frieden mit dem benachbarten Königreich nicht zu gefährden, gibt sie der Beziehung dennoch eine Chance. Widerwillig begleitet sie Aurora aufs Königsschloss zum Festmahl, das die Feindschaft zwischen Menschen und Fabelwesen beenden soll. Doch Auroras künftige Schwiegermutter, die Königin Ingrith (Michelle Pfeiffer), verfolgt ganz eigene Pläne, um das Feenreich auszulöschen und die Macht an sich zu reißen. Es kommt zum Krieg…
Oft passiert es leider nicht mehr, dass man Angelina Jolie als Schauspielerin auf der großen Leinwand zu sehen bekommt. Für „Maleficent 2“ hat sie sich aber glücklicherweise ein weiteres Mal ins schwarze Gewand geworfen. Ihr Auftritt in dem Disney-Film ist (abgesehen von einem Ausflug ins Synchronstudio für „Kung Fu Panda 3“) tatsächlich ihre erste Leinwand-Rolle seit dem mäßig überzeugenden Ehedrama „By The Sea“ aus dem Jahr 2015. Nach dieser vierjährigen Schauspielpause darf sie es allerdings auch eher ruhig angehen lassen, denn die titelgebende dunkle Fee bekommt in diesem Sequel erstaunlich wenig zu tun.
Die wahre Böse: Michelle Pfeiffer als Tyranning Ingrith!
Selbst für Maleficents berühmtes diabolisches Lachen bleibt dieses Mal kaum Zeit, auch wenn Jolie in den Momenten, in denen sie dann groß aufspielen darf, wieder glänzt und begeistert. Wenn sie über ihrem Spiegelbild im Teich das Lächeln übt, um bei der neuen Verwandtschaft einen freundlichen Eindruck zu hinterlassen, oder wenn sie Aurora über die Fallstricke der Liebe aufklärt, dann gelingt es der Schauspielerin, ihrer Figur wieder eine ungeheure emotionale Tiefe und Ambivalenz zu verleihen. Und das, obwohl der Film zum Glück darauf verzichtet, noch einmal den ganzen inneren Konflikt der Figur vorzukauen. Teil 1 sollte man also vorher unbedingt gesehen haben!
In Gestalt der durchtriebenen Königin Ingrith bekommt Maleficent eine Gegenspielerin spendiert, die es in sich hat. Michelle Pfeiffer („mother!“) füllt die Rolle der bösen Intrigantin mit einer bemerkenswerten, eiskalten Präsenz. Welche Pläne sie für die Zukunft des Märchenreichs verfolgt, ist teilweise so düster und abgründig, dass recht schnell deutlich wird, warum „Maleficent 2“ für kleine Kinder keinesfalls geeignet ist. Wenn Ingrith ihren Feinden hinterlistige Fallen stellt, dann fühlt man sich besonders in einer großen Szene sogar fast etwas an „Game Of Thrones“ erinnert. Schade, dass die dunkle Fee und ihre Widersacherin so selten direkt miteinander konfrontiert werden, denn das erste frostige Zusammentreffen dieser beiden großartigen Schauspielerinnen gehört eindeutig zu den Höhepunkten des Films.
Mit dem Clinch der beiden Frauen verlässt „Maleficent 2“ endgültig die bekannten Märchengefilde. Joachim Rønning steht hier (anders als sein Vorgänger) nicht mehr vor der Herausforderung, auch noch einer berühmten Vorlage gerecht werden zu müssen. Er kann sich in dem etablierten Märchenland voll und ganz austoben und das tut er in dieser Fortsetzung verdammt gut. Soviel kann bereits festgehalten werden: „Maleficent 2“ ist spannender als der erste Teil! Das liegt in erster Linie auch daran, dass man dieses Mal nicht sofort das Gefühl hat, jede einzelne Entwicklung der Geschichte vorhersehen zu können. Zugleich gibt es hier so viele neue inhaltliche Versatzstücke, dass der Film selbst mitunter damit überfordert ist, sie alle stimmig unter einen Hut zu bekommen.
Der Trailer zum Film hat es zwar bereits vorweggenommen, aber um an dieser Stelle größere Spoiler zu umgehen, sei nur so viel gesagt: „Maleficent 2“ begibt sich noch einmal in eine ganz neue Welt mit neuen Figuren und Fabelwesen. Das erweitert das aus Teil 1 bekannte Universum um einen spannenden neuen Mythos, der sich jedoch durchweg wie ein Fremdkörper in der Geschichte anfühlt. Der Film springt immer wieder zwischen den Schauplätzen hin- und her und ist oft nur damit beschäftigt, die allernötigsten Erklärungen zu liefern, damit zum Schluss alles in einen Topf geworfen werden kann. Nachvollziehbar wirkt da vieles kaum noch und trotz des Übermaßes an neuen Informationen hat man im Mittelteil selten das Gefühl, dass wirklich etwas Wichtiges passiert, das die Handlung voranbringt.
Aus dem ersten Teil bekannte Figuren wie die drei tollpatschigen Feen Fittle (Lesley Manville), Thistlewit (Juno Temple) und Knotgrass (Imelda Staunton) verkommen zu Randerscheinungen, mit denen der Film nicht wirklich mehr etwas anzufangen weiß. Die große Ausdehnung dieser Welt ist schließlich Segen und Fluch zugleich. All die kleinen, spannenden Charaktermomente kommen zu kurz, da sie am Ende der etwas platten Ökobotschaft rund um Naturzerstörung und friedvoller Koexistenz der Arten zum Opfer fallen. Gut gemeint wirkt das alles, aber leider eben auch etwas bemüht und überambitioniert. Wenn Rønning diesem Kosmos mehr Raum zum Atmen gegeben hätte, würde man sogar gerne eine längere Laufzeit in Kauf nehmen. Interessant genug ist er nämlich auf jeden Fall!
Bei all den inhaltlichen Problemen, die dieses Sequel mit sich bringt: Optisch ist es eine Wucht! Am beeindruckendsten sind die Momente, in denen die Computereffekte auf ein Minimum reduziert werden. Vor allem die prunkvollen Kostüme sind schlichtweg preisverdächtig und eine Augenweide. Für alle Cosplay-Fans ist „Maleficent 2“ wieder eine wahre Fundgrube! Wie schon der Vorgängerfilm ist alles so detailverliebt in Szene gesetzt, dass die groß ausstaffierten Bilder und die ganze märchenhafte Atmosphäre über so manche erzählerische Schwäche hinwegtrösten können.
Das Feenreich ist mit all den Tieren, lebendigen Gewächsen und Fabelwesen dieses Mal noch aufwendiger animiert. Da schwirrt und flimmert so viel über die Leinwand, dass man teilweise kaum weiß, wo man zuerst hinschauen soll. Doch wo sich bereits die Handlung etwas zu viel vorgenommen hat, wäre auch bei der optischen Inszenierung manchmal weniger mehr gewesen! „Maleficent 2“ fährt in seinem fulminanten Action-Showdown die ganz großen Geschütze auf und wird zur wilden Materialschlacht. Doch bei diesem überladenen Effekt-Gewitter hat man irgendwann eher das Gefühl, ein konfuses Computerspiel zu beobachten.
Fazit: „Maleficent 2: Mächte der Finsternis“ ist groß gedachtes Fantasy-Spektakel, das sich mit spannenden neuen Ideen gekonnt von seiner Märchen-Vorlage trennt, auch wenn es sich – erzählerisch und visuell – manchmal einfach zu viel vornimmt.