NOSFERATU FLIEGT ECONOMY
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
So eine Anreise mit dem Flugzeug ist oft langwierig, vor allem, wenn man von Europa aus nach Übersee will. Ereignisreich ist was anderes, es sei denn, man hat Flugangst, was natürlich nichts ist, was sich auszuleben lohnt. Während man also im Halbschlaf auf Stand-by verweilt, bleibt genug Gelegenheit, darüber nachzusinnieren, was in einem Flieger, kilometerhoch über den Wolken, sonst noch alles passieren könnte. Wie wär’s zum Beispiel mit Snakes on a Plane? Samuel L. Jackson weiß nun, wie sich hochgiftige Reptilien fern ihres Habitats nicht zu benehmen wissen. Terroristen on a Plane ist leider ein allzu realistisches Szenario, da denkt man lieber gleich weiter und wünscht sich Liam Neeson dazu – Non-Stop gefällig? Zombies fahren da lieber Zug (Train to Busan), doch wie wäre es mit Vampiren, die nach einer Bloody Mary in der Economy Class plötzlich unruhig werden? Guillermo del Toro und Chuck Hogan lassen ihre Vampirsaga The Strain ebenfalls in einem Flugzeug beginnen, doch dieses war da schon am Boden. In Blood Red Sky können wir, exklusiv auf Netflix, den ganzen Flug hautnah miterleben. Und wie es ist, nicht auszukönnen, wenn die Blutgier keine Klassenunterschiede mehr macht.
Im Zentrum des recht geradlinigen Geschehens steht Nadja – natürlich eine Vampirin, die aber immer noch die Pflichten einer Mutter lebt. An ihrer Seite ein kleiner Junge, der über Mamas Befinden natürlich Bescheid weiß. Nadja durchlebt dank spezieller Medikamente, die das Böse unterdrücken, ein halbwegs normales Leben, doch auf Dauer kann das so nicht weitergehen. In den USA verspricht ein Experte neue Hoffnung – also alles zusammenpacken und rein in den Flieger. Nur: so viel Pech muss man mal haben. Dieser Transatlantikflug wird von einer duschgeknallten Räuberbande übernommen, die mit dem Absturz der Maschine über London die Börsenkurse durcheinanderbringen und damit groß absahnen will. Alle Hausaufgaben haben die Jungs allerdings nicht gemacht, die eigenen Leute schießen buchstäblich quer – und entfesseln in Nadja ihr dunkles Geheimnis.
Voller Ungeduld wartet der Zuschauer natürlich auf das Hereinbrechen der panikmachenden Ausnahmesituation, die Motivation hinter jedem Katastrophenfilm. Viel anders als bei allen anderen Filmen, in denen es um entführte Flugzeuge geht, läuft dieses Szenario auch nicht ab. Bis eben Peri Baumeister, deren Schicksal in knackigen Rückblenden aufgearbeitet wird, ihre entsprechende Wandlung durchmacht und plötzlich so aussieht wie Max Schreck aus Nosferatu. Die Maske hat ganze Arbeit geleistet. Das Aussehen, kombiniert mit dem expressiven Gebaren eines solchen Dämons, der – halb Tier, halb Mensch – fauchend und zähnefletschend durch die schmalen Gänge tigert, ist die eigentliche Attraktion des von Peter Thorwarth inszenierten Horror-Actionthrillers, um dessen Realisierung dieser eine gefühlte Ewigkeit lang werben hat müssen. Weder hat, wie versprochen, Universal den Film unter seine Fittiche genommen, noch hat die Covid-Krise die Umsetzung des Projekts in die Gänge gebracht. Letzten Endes hat sich Netflix erbarmt, und nach vielem Hin und Her ist Thorwarths Herzensprojekt endlich Wirklichkeit geworden.
Die Idee ist ja prinzipiell eine gute – sieht auch hübsch aus, und das Volk der Nacht darf sich auch ausgiebigst am menschlichen Buffet gütlich tun. Wirklich auf Zug ist Blood Red Sky aber nicht inszeniert. Zu fahrig und zwischendurch in seiner Spannungskurve absackend, scheint sich der Plot des Reißers immer wieder neu orientieren zu müssen, so, als hätte er die Übersicht verloren. Der Horror gerät ins Stocken, ergötzt sich manchmal zu viel an blutverschmierten Mündern, und dann fragt man sich gar, wo denn Buffy eigentlich bleibt. Doch wie auch immer: Thorwarth führt seinen Flug der Verdammnis dann doch noch souverän bis an sein wie auch immer geartetes Ziel, und Peri Baumeisters so monströses wie verschrecktes Konterfei bleibt nachhaltig, aber interessanterweise nicht unangenehm, in Erinnerung.
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