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Michael S.
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3,5
Veröffentlicht am 6. Juni 2016
Sein größtes Lob verdient "1572" tatsächlich für die gelungene Darstellung seiner historischen Aspekte. Zwei etwas konstruiert wirkende Liebesgeschichten um Kenaus Töchter hätten zwar nicht unbedingt sein müssen, ihnen wird aber erfreulich wenig Platz eingeräumt. Die von Monic Hendricx hervorragend gespielte Kenau ist und bleibt das Herz des Films. Auch wenn sie nicht gleich zur einer neuen Jeanne d'Arc wird, die durch ihre unfreiwilligen Heldentaten gleichzeitig mit frühneuzeitlich erhobenem Zeigefinger das Korsett der Frauenrolle ihrer Zeit abstreifen will, lässt es sich mit dieser Dame trotzdem auch aus heutiger Perspektive mitfiebern. Sie ist eine gleich mehrfach gebrochene und trotzdem starke Frau, die aus der Not heraus um ihr Überleben und das der Stadt kämpfen muss. Dieser Mut zum Anpacken kommt nicht von ungefähr - selbstständige Kauffrauen (oder in diesem Fall Werftbesitzerinnen) sind für das späte Mittelalter durchaus historisch belegt, insbesondere wenn sie als Witwen dank guter Reputation die Geschäfte ihrer verstorbenen Männer weiterführten. Auch Französisch als "Diplomatensprache" zwischen den einzelnen kriegführenden Reichen wurde hier richtig und konsequent eingesetzt, Kostüme und Drehorte sparen sich peinliche Anachronismen. Hat man die etwas zähe erste halbe Stunde überwunden, offenbart sich ein kleines filmisches Wunderwerk. Die Sets sind detailliert und üppig ausgestattet, die Motive (echte und Studiobauten verschmelzen hier beinahe nahtlos) gut ausgewählt, die wenigen CGI-Effekte glaubhaft, die Kameraführung authentisch düster und bleifarben. Antagonist Don Fadrique (Attila Árpa) mag ein wenig einseitig gezeichnet sein, die Mehrheit der Charaktere weiß aber zu gefallen. Besonders wenn die Frauen von Haarlem unter Kenaus Führung auf Schlittschuhen die spanischen Vorräte klauen oder deren Truppen auf ihre ganz eigene Art und Weise ablenken, kann man sich ein anerkennendes Grinsen ob der Kreativität dieser Einfälle nicht verkneifen. Die üblichen Fehler groß angelegter Mittelalterfilme werden größtenteils sicher umgangen, der Fokus bleibt stets auf der Hauptfigur, der Film gerät damit nie zur effektheischerischen Schlachtplatte oder zum Möchtegern-Sozialdrama mit Schwertkampf. Trotzdem glänzen die entscheidenden Schlachten mit filmischer Wucht und Größe, ohne jemals als Vorwand für unglaubwürdige Stunts herhalten zu müssen. Der Krieg ist hier ein schmutziges Handwerk und das ist auch gut so. Der deutsche Verleihtitel stellt zwar "Die Schlacht um Holland" (um die es eigentlich nur am Rande geht) in den Vordergrund, man muss aber auch angesichts der vorangestellten Jahreszahl kein pathetisches Epos wie das russische Schlachtgemälde "1612" befürchten.