Genrefilme fristen im deutschen Kino trotz langer Tradition kaum mehr als ein Schattendasein, egal wie experimentierfreudig oder publikumsorientiert sie sind. Zu dieser Einschätzung kommen Dominik Graf und Johannes F. Sievert in ihren beiden Filmessays „Verfluchte Liebe deutscher Film“ und „Offene Wunde deutscher Film“, in denen sie an fast vergessene Schätze des Genrefilms der 60er und 70er Jahre erinnern und selbst mutig mit den Konventionen des dokumentarischen Kinos spielen. Nun versucht sich Sievert unterstützt von Graf seinerseits erstmals an einem Spielfilm. In seinem Science-Fiction-Krimi „Rewind – Die zweite Chance“ experimentiert er originell mit Erzählformen und -formaten, die Figuren bleiben allerdings weitgehend blass.
Kurz nachdem seine Frau Beatrice (Idil Üner) bei einem Banküberfall erschossen wurde, muss Polizist Richard Lenders (Alex Brendemühl) schon wieder in einem anderen Mordfall ermitteln. Das Opfer ist der Physiker Kai Ross (Andreas Nickl) und der behauptet auf einer codierten Festplatte, die am Tatort gefunden wurde, durch die Zeit zurückgereist zu sein. Lenders erkennt einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden und wendet sich an die Physikdoktorandin Sophia van Thijssen (Sylvia Hoeks), die ihm bei der Lösung der Fälle helfen soll.
Dominik Graf ist einer der profiliertesten Filmemacher in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft: Das künstlerische Spektrum des vielfachen Grimme-Preisträgers reicht von innovativen Fernsehkrimis wie „Im Angesicht des Verbrechens“ über Historiendramen („Die geliebten Schwestern“) bis zu Dokumentationen und Filmessays. Dass er sich an einem Projekt wie „Rewind“ beteiligt und dabei seinem einstigen Studenten und Regieassistenten Johannes F. Sievert als Dramaturg und Berater zur Seite steht, zeigt einmal mehr seine Lust am Experiment. Wie die Filmemacher etwa das Zeitreisethema als Aufhänger für eine virtuose und clevere filmische Darstellung diverser physikalischer Phänomene und Gesetze nutzen, ist beeindruckend.
Gleich zu Beginn des in Köln gedrehten Films bringt uns Sievert den „Schmetterlingseffekt“ nahe, bei dem ein kleines Ereignis eine Kettenreaktion mit immer schwerer wiegenden Folgen nach sich zieht: Ein Fahrradfahrer touchiert eine Frau mit Blumen, was einen bunten Falter in die Flucht schlägt, dem ein kleiner Junge auf die Straße nachjagt – und dadurch einen Auffahrunfall provoziert. Die in der Quantenmechanik umstrittene „Viele-Welten-Theorie“ mit der Gleichzeitigkeit einander ausschließender Ereignisse wird durch die Verwendung unvermittelter Split Screens veranschaulicht: Während Lenders etwa in der linken Bildfläche an einem Tatort ein Beweisstück findet und einpackt, notiert er sich rechts scheinbar gleichzeitig etwas in sein Notizbuch. Und auch die Dialoge stecken voller Anspielungen auf das Zeitreise-Sujet, zum Beispiel wenn sich Physikdoktorandin Sophia van Thijssen bei Lenders für den holprigen Start ihrer Bekanntschaft entschuldigt und vorschlägt, noch einmal „Reset“ zu drücken.
Gegenüber dem spielerischen Einfallsreichtum des Drehbuchs, der auch bei zunehmender erzählerischer Komplexität immer vorhandenen Spannung und der temporeichen Montage, enttäuscht der unterkühlte Look von „Rewind – Die zweite Chance“ etwas. Die entsättigten Bilder gewinnen kaum Ausdruckskraft und ihre starke Stilisierung wirkt etwas unmotiviert. Der über weite Strecken dominierende Grauschleier scheint darüber hinaus auch auf die oberflächlichen Figuren abgefärbt zu haben, die seltsam leblos und austauschbar wirken. Alex Brendemühl („Django – Ein Leben für die Musik“) verkörpert routiniert den verbissenen Kommissar und erinnert mit seiner Lederjacke und seinem Schnäuzer auch äußerlich ein wenig an Charles Bronson in den „Ein Mann sieht rot“-Filmen – allerdings ohne dessen Charisma und Intensität. Sylvia Hoeks („Blade Runner 2049“) wiederum bleibt als ambitionierte Workaholic-Wissenschaftlerin eindimensional und die Fachgespräche mit ihren Physiker-Kollegen wirken allzu hölzern aufgesagt.
Fazit: „Rewind – Die zweite Chance“ ist eine ambitionierte filmische Versuchsanordnung und zugleich ein über weite Strecken durchaus spannender Zeitreise-Thriller mit konsequentem Ende. Die Figuren und ihre persönlichen Dramen sind allerdings unterentwickelt und wirken etwas beliebig.