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    Jahrhundertfrauen
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    FILMGENUSS
    FILMGENUSS

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    4,5
    Veröffentlicht am 12. März 2021
    GESCHLECHTERROLLEN IM WERTETAUMEL
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Eigentlich ist Mike Mills selbst verfasstes Werteportrait aus den Siebzigerjahren mitunter einer der Filme, die spätestens zum Internationalen Frauentag aus den Streaming-Archiven geholt werden könnten. Jahrhundertfrauen – oder im Original 20th Century Women – bringt es zustande, über Geschlechterrollen zu sinnieren, ohne dabei auch nur ein einziges Mal in die Spurrillen oft gehörter Phrasen zu geraten, obwohl es derer genug gäbe auf dem Weg hin zu einem fortschrittlicheren und respektvollerem Wertebild, die sich der Mann von Morgen aneignen sollte. Dabei begegnet ihm die Frau oftmals mit Angriffslust. Nicht aber hier. Diese Jahrhundertfrauen haben es nicht notwendig, die entbehrungsreiche Figur des 20th Century-Mannsbildes mit militanter Gehässigkeit zu entmachten. Sie nutzen die Chance, dem Mann von morgen all die Dinge, auf die es ankommt, auf teils sogar unbewusste Art in ein witgehend vorurteilsfreies Bewusstsein zu rufen.

    Dabei ist dieser junge Mann, um den es hier geht, lediglich noch ein Teenager von 15 Jahren, ein kluger Jungspund, der gemeinsam mit Mama Annette Bening in einer renovierungsbedürftigen Villa wohnt, deren Zimmer unter anderem an Greta Herwig alias Abbie vermietet werden. Das Mädchen Julie (Elle Fanning) wohnt zwar nicht da, ist aber ebenfalls ein gern gesehener Gast. Drei Frauen sind es: eine Fotografin und dem Krebs eben von der Klinge gesprungen, eine promiskuitive Blondine mit dominanter Mutter und eben Annette Bening, alleinerziehende Mittfünfzigerin und etwas ratlos, wenn es darum geht, den jungen Filius auf das Leben vorzubereiten. Da kommen ihr die beiden omnipräsenten Damen recht gelegen – die könnten doch unterstützende Vibes erzeugen, wenn es darum geht, die Welt mit differenzierteren Blicken zu betrachten.

    Natürlich kann es leicht passieren, dass bei einem komplexen Thema wie diesem ein Film, der sich fast ausschließlich auf Dialoge verlässt, mit Binsenweisheiten und auch irrelevantem Geschwafel die Geduld des Zusehers strapaziert. Da braucht es eben einen Autor, der etwas ganz anderes, und eigentlich viel mehr will als „nur“ die Mechanismen proaktiven Feminismus zu erörtern. Nämlich: die Kunst des achtsamen Umgangs zu lehren. Grandios, wie Mike Mills seine Szenen setzt und seine Figuren das Wort erteilt, ihnen dabei aber nichts in den Mund legen muss, da diese aus eigener Überzeugung, und oft mit einer beiläufigen Selbstverständlichkeit, kluge Wahrheiten gelassen aussprechen. Dabei kreisen pointierte Dialoge, meist verankert in alltäglichen Situationen, um Erziehung, Elternschaft und obsoleten gesellschaftlichen Tabus. Ein bisschen erinnert der Stil und auch der Scharfsinn an Richard Linklaters Boyhood. Annette Bening gelingt wohl einer ihrer besten, wenn nicht ihre beste Performance. Dabei spielt sie weder eine Erkrankte, noch ist sie körperlich wie geistig beeinträchtigt noch ist sie sonst auch nur irgendwie eine Persönlichkeit, die aus dem Rahmen fällt. Eben weil Bening das nicht ist, sondern weil sie diese alleinerziehende und an sich selbst zweifelnde, ganz normale Person ist, findet sie diese unartifizielle Ausdrucksstärke. Das ist ausgereiftes Minenspiel nebst ausgereiften Szenen, die so wunderbar unverkrampft von so vielem erzählen, und die es knapp zwei Stunden lang schaffen, gleich mehrere Biographien anzureißen, ohne einander die Aufmerksamkeit zu stehlen. Hier findet sich diese zu vermittelnde Achtsamkeit selbst in inszenatorischer Hinsicht. Ein so unprätentiöses wie komplexes Werk also, das seinen wertschätzenden Imperativ auch filmtechnisch punktgenau umgesetzt hat.
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    Andreas S.
    Andreas S.

    8 Follower 171 Kritiken User folgen

    5,0
    Veröffentlicht am 24. Juli 2020
    Coming out of age per Excellence. Santa Barbara 1979. Jamie ist 15, lebt mit seiner alleinstehenden Mutter und einer ganzen Gruppe von Mitbewohnern zusammen, an die das ein oder andere Zimmer untervermietet wurde. Es ist die Zeit des Punk, des Ausbruchs aus verkrusteten Strukturen. Scheint zu der Zeit ein weltweites Phänomen gewesen zu sein. Genau die Zeit, in der ich auch erwachsen geworden bin. - nur nicht in Kalifornien sondern irgendwo im Ruhrpott. Vielleicht hat mich der Film auch deswegen so angesprochen, fast schon melancholisch werden lassen. Ich finde den Film einfach nur brillant. Grandioser Soundtrack. Perfekte Ausstattung - Die Wiedergeburt von 1979. Tolles Schauspiel-Ensemble, allen voran Annette Bening als die Mutter der Kompanie und somit zentrale Figur der Handlung. Von der ersten bis zur letzten Sekunde aus meiner Sicht ein großartiger Streifen. Gut dass ich mir die Zeit genommen habe, diesen Film anzusehen.. Kann ich nur dringend weiterempfehlen.
    Kino:
    Anonymer User
    4,0
    Veröffentlicht am 27. Juli 2018
    "Jahrhundertfrauen" ist ein tolles Werk geworden, dessen Geschichte sehr gut gelungen ist. Sie balanciert sich sehr gut aus und ist auch interessant. Was ich Positiv finde, dass der Film teilweise auch aus dem Off erzählt wird, denn es passt unfassbar gut zur kompletten Machart dieses Werkes und stört keineswegs. Leider ist er auch etwas lang geworden. Er versucht ein paar Zeitraffer einzubauen, sodass die Story nicht noch länger wird, aber man hätte auch teilweise die Story flotter erzählen können. Bei manchen Zeitraffern sehen die Bewegungen etwas unnatürlich aus.

    Die schauspielerischen Leistungen haben mir sehr gut gefallen. Die Schauspieler transportieren glaubhaft ihre Rollen auf die Mattscheibe. Des Weiteren hat mir die musikalische Begleitung gut gefallen. Die Art und Weise, wie diese eingesetzt wird, ist löblich und passt sehr gut zum kompletten Streifen. Die Kamera hat hier eine wunderbare Arbeit gemacht. Auch wie man manche Szenen im Nachhinein bearbeitet hat, ist gut gelungen.

    Ich kann Ihnen "Jahrhundertfrauen" empfehlen, auch wenn er sich ein bisschen lang anfühlt. Es ist ein sehr ruhig erzählter Film, dessen Stoff sehr schön umgesetzt worden ist.
    BrodiesFilmkritiken
    BrodiesFilmkritiken

    11.071 Follower 4.944 Kritiken User folgen

    3,0
    Veröffentlicht am 20. Januar 2018
    Dies stellt einen Fall dar wo ichs zwar versucht habe, aber zu keinem Zeitpunkt wirklich Einstieg in die Story gefunden habe: ich habe eine sehr glaubhafte Darstellung der 70er Jahre gesehen, ein paar Frauenfiguren die irgendwie versuchen das Richtige zu tun und eben reihenweise bekannte Dramadarstellerinnen die sich echt Mühe geben. Ich las obendrein in einer anderen Kritik daß der Regisseur in diesem Film quasi ein Denkmal für seine Mutter setzt und das der Film die damalige Zeit sehr authentisch nachstellt und der Film daher einen besonderen Reiz hat für Leute die eben damals dabei waren. Das mag sein, aebr schließ mich völlig aus :-) Darum denke ich daß man durchaus viel an diesem Titel entdecken kann, ich selber konnte es leider nicht. Rate aber jedem mal einen Blick zu riskieren.

    Fazit: Soweit ichs bemerkt habe: ein Frauenfilm :-)
    Kino:
    Anonymer User
    2,0
    Veröffentlicht am 24. Dezember 2017
    Wenig an nuancierten Porträts interessierter, vielmehr arg sentimentaler Film, in dem die Figuren in einem Dialog nach dem anderen ihre Probleme einander klagen. Dabei bewegen sich die Dialoge auf Soap-Niveau und schwelgen fieberhaft in gefallsüchtiger Selbstfindungs-Rhetorik.
    Kinobengel
    Kinobengel

    461 Follower 550 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 28. Mai 2017
    Mike Mills ist mit der Coming-of-Age-Tragikomödie „Jahrhunderfrauen“ in den deutschen Kinos angekommen. Das Drehbuch schrieb der Regisseur selbst.

    Kalifornien, Ende der 1970er: Dorthea (Annette Bening) hat ganz eigene Ansichten vom Leben. Mit ihrem Sohn Jamie (Lucas Jade Zumann) kommt sie nicht zurecht. Von Ihren Mitbewohnern Abigail (Greta Gerwig) und Julie (Elle Fanning), der platonischen Freundin von Jamie, und von dem hilfsbereiten William (Bill Crudup) erhält Dorothea Unterstützung.

    Coming of Age. Das internationale Filmfest in München hatte 2016 reichlich Stoff dieses Genres zu bieten. In Verbindung mit Bening kommen sofort Erinnerungen an „The Kids Are All Right” (2010 von Lisa Cholodenko) auf. Annette Bening ist gut gebucht, hat nichts von ihrer Ausstrahlung verloren und trägt die lockere Stimmung von „Jahrhundertfrauen“ zu einem beträchtlichen Teil. Als vierfache Mutter ist sie wahrscheinlich auch Expertin. Mike Mills („Beginners“) hat ihr einen lakonischen Wortschatz in den Mund gelegt. Die Dialoge sind komödiantisch und ohne penetrantes Dauergelaber einfallsreich gestaltet; sie machen von Minute zu Minute mehr Spaß. So erhalten alle Figuren eine gewisse, für die Komödie ausreichend tiefe Persönlichkeit und eine reservierte Überzeichnung ohne alberne Attitüden. Zum Vergleich: „Everybody Wants Some!!“ (2016 von Richard Linklater) ist erheblich knalliger (aber mindestens genauso gut).

    Verzichten muss der Zuschauer auf eine ausgefeilte Story nach Regeldramamethode. Auf amüsante Weise öffnet Mike Mills die Charaktere mit ihren individuellen Problemchen für das Beobachtungskino. Anders wäre „Jahrhundertfrauen“ vielleicht belanglos, denn letztendlich kämpft jeder mehr oder weniger mit sich selbst und ist seines Glückes Schmied. So auch Mike Mills. Er hat einige Erfahrungen als Regisseur und Autor gesammelt. Das sieht man seinem aktuellen Film an, denn der läuft bemerkenswert rund.

    „Jahrhundertfrauen“ darf als eine schöne Perle seines Genres bezeichnet werden.
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