Hier stehe ich und kann nicht anders. Als Martin Luther bekannte, dass die katholische Welt, in die er hineingeboren wurde, auch zutiefst verlogen ist, wurde er ausgestoßen, strafrechtlich verfolgt und zum Zentrum einer neuen Sammlungsbewegung. Als Jesus von Nazareth bekannte, dass die jüdische Welt, in die er hineingeboren wurde, auch zutiefst verlogen ist, wurde er ausgestoßen, strafrechtlich verfolgt und zum Zentrum einer neuen Sammlungsbewegung.
Snowden riskiert sein Leben ebenso, weil er bekannte, dass die US-amerikanische Welt, in die er hineingeboren wurde, auch zutiefst verlogen ist. Der ehemalige Geheimdienstangestellte und Systemadministrator der National Security Agency (NSA) mit Zugang zu geheimsten Daten, wird für politisch Interessierte zum bekanntesten «Whistleblower». Geheimnisverräter und Nestbeschmutzer wie er werden ausgestoßen, strafrechtlich verfolgt und vielleicht zum Zentrum einer neuen Sammlungsbewegung. Warum auch nicht, der Regisseur Oliver Stone ist da ein Hollywood-Profi und verschafft die nötige Öffentlichkeit, eine Riefenstahl hätte es nicht besser machen können. Der Landesverräter Snowden, der geläuterte Täter, wird zum Märtyrer individueller Persönlichkeitsrechte der westlichen US-Welt. Das trockene Thema Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre werden im Film als sexy Journaille inszeniert. Und der Idealist Snowden wird tatsächlich politisch verfolgt, seine Aussagen sind wahrhaftig und staatliche Gewaltenteilung lebt von investigativen Nachrichten.
Jeder Reformation geht eine Deformation voraus. Die freie Welt kommt nicht um den Spagat herum, den religiösen-Faschismus und andere totalitäre Ideologien mit allen Mitteln zu bekämpfen, gleichzeitig aber die Persönlichkeits-Rechte ihrer Bürger zu achten. Alles andere führt auf Umwegen zur Diktatur des schönen Scheins. Politische Filme wie "Snowden" sind daher leider ein Muss für alle selbsternannten Demokraten.