Die Regisseurin D.G. Ergüven ist wohl ein Insider, der die ländliche Bevölkerung in der Türkei sehr genau kennt. Ihr Film dokumentiert, wie weit der Staat am Bosporus noch von Europa entfernt ist. Was die moralischen Normen angeht, liegt da mehr als die Meerenge dazwischen. Und bis ins vereinte Europa ist der Weg nicht nur sehr weit, sondern – falls sich da nichts ändert – von den eigenen, atavistischen Wertvorstellungen verbaut.
Die fünf Waisen, Lale, Nur, Ece, Selma und Sonay, die bei ihrer Oma und ihrem Onkel Erol aufwachsen, werden wegen einer harmlosen Badeplantscherei im Meer (in voller Schuluniform) aber mit Buben aus der Nachbarschaft jetzt zu Hause wie in einem Gefängnis gehalten. Hier lernen sie backen, kochen und putzen. Alles was ein Mädchen wissen muss, wenn es heiratet. Denn das ist das Ziel ihrer Großmutter (Nihal Koldas).
Die Norm ist die Zwangsehe, wie bei Selma. Sonay kann immerhin ihren Freund heiraten. Aber was da nachts zwischen Ece und ihrem Onkel Erol läuft wird nur ganz im Dunkeln angedeutet. Viel schlimmer ist die darauffolgende medizinische Untersuchung bezüglich der Jungfräulichkeit der Mädchen. Darauf besteht Erol. Ece begeht Selbstmord.
Es gelingt ihnen immer wieder auszubrechen. Lale freundet sich mit einem LKW-Fahrer an, der ihr beibringt, wie man Auto fährt. Ihr Ziel bleibt ‘Nichts wie weg!‘ und zwar nach Istanbul. Dorthin wurde ihre Lehrerin versetzt. Auch hier gilt der spätmittelalterliche Wahlspruch von der ‘Stadtluft, die frei macht‘.
Die patriarchalische Gesellschaft wird kriminell, indem sie die Freiheit der Frauen einschränkt und gleichzeitig deren Verhalten mit Sanktionen belegt.
Ein wichtiger und ein mutiger Film, der von der Leidensgeschichte der heutigen Frauen in der Türkei erzählt, die man so vielleicht nicht mehr für möglich hält.
Bleibt die Frage, was will uns Frau Ergüven mit dem Titel sagen?