Im Jahr 2005 wurde das Wort „Humankapital“ zum Unwort des Jahres gewählt. In der Begründung der Jury hieß es, das Wort reduziere den Menschen zu einer nur noch ökonomisch relevanten Größe. In seinem Film „Was bin ich wert?“ knüpft Regisseur Peter Scharf daran an und begibt sich - inspiriert von Jörn Klares gleichnamigem Buch - auf die Suche nach Bereichen, in denen das menschliche Leben nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bemessen wird. Quer durch die Welt führt Scharfs Reise nach dem Wert des Lebens, viele interessante Einzelaspekte reiht er zusammen, die jedoch so disparat wirken, dass sich kein roter Faden entwickeln mag.
Von Beginn an schlägt Scharf einen sehr persönlichen Ton an: Schlecht rentenversichert und geplagt von einem hartnäckigen Fußleiden schrumpft sein Selbstwertgefühl zunehmend. Diese Situation ist es schließlich, die Scharf dazu brachte, nach dem Wert eines Menschen zu forschen. Nach ersten eigenen Feldversuchen mit Blut- bzw. Samenspenden, löst sich Scharf jedoch schon bald von seinem eigenen Körper und trifft Menschen aus unterschiedlichen Ländern, deren tägliches Geschäft es ist, den menschlichen Wert zu evaluieren. Ein Ökonom berechnet etwa anhand der so genannten Saarbrücker Formel das viel gescholtene Humankapital, ein Echthaar-Händler aus der Ukraine kommt zu Wort, aber auch mehr oder weniger legale Organspender. Bei allen Gesprächen führt Scharf genau Buch über den jeweilig errechneten Wert eines Menschen bzw. seiner Einzelteile und kommt am Ende seines Films auf den beachtlichen Mittelwert von 2,4 Millionen US-Dollar.
Diese Zahl lässt einen jedoch ebenso ratlos zurück, wie vieles zuvor, denn ein roter Faden fehlt in „Was bin ich wert?“. So spannend es ist, den Regisseur dabei zu begleiten, wie er mit dem amerikanischen Anwalt Kenneth Feinberg darüber spricht, wie er die Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen der Opfer des 11. September quasi gottgleich nach eigenem Gutdünken festlegte, so wenig plausibel wirkt der kurz darauf folgende Ausflug nach Schottland. Dort geht es plötzlich um eine perspektivlose Jugend am Rande Glasgows, die unter der hohen Arbeitslosigkeit leidet. Wieso sich Scharf gerade diesen Ort ausgesucht hat, bleibt jedoch schleierhaft. Diese Sprunghaftigkeit ist sicherlich auch der offenen Fragestellung des Films geschuldet, auf die sich eben keine klare Antwort finden lässt. Die Folge ist jedoch ein oft ziellos anmutendes Mäandern.
So ist Scharfs Film letztlich ein Kaleidoskop mal skurriler, mal berührender Einblicke in die Welt der Menschenwert-Berechner, in dem viele interessante Aspekte aneinandergereiht werden, ohne das den Fundstücken jedoch wirklich detailliert auf den Grund gegangen wird. Das wird vor allem dann spürbar, wenn sich Scharf komplizierte Rechenmodelle aus dem Gesundheits- oder Verkehrswesen erklären lässt. Bevor der Zuschauer das gerade Gehörte reflektieren kann, ist der Regisseur bereits an einem neuen Ort angekommen. Auch wenn es Scharf trotz der fragmentierten Erzählweise immer wieder gelingt, Momente bedrückender Schwere einzufangen, etwa beim Besuch eines Mannes in Moldawien, der seine Niere verkaufen musste, um seine Familie zu ernähren zu können, bleibt. „Was bin ich wert?“ dennoch zu sehr an der Oberfläche.
Fazit: Peter Scharfs Dokumentation „Was bin ich wert?“ liefert einen oft interessanten, aber auch zu sprunghaften Einblick in die Welt der Menschenwert-Berechner.