"Brain on Fire" behandelt ein Thema, dass leider viele Menschen am eigenen Leib bzw. Hirn erfahren mussten und auch weiterhin erfahren werden. Dabei spielt die schlussendlich diagnostizierte Krankheit nur eine untergeordnete Rolle. Die Phase, in der kleinste Verhaltenauffälligkeiten, neurologische oder psychische Veränderungen, aufhorchen lassen, in der nach plausiblen Erklärungen gesucht wird oder Symptome negiert, überspielt oder geleugnet werden, das ist die Phase in der sich die Downward Spiral langsam aber stetig zu drehen beginnt.
Ergebnis ist in aller Regel eine Symptomverschlimmerung, die die Betroffenen in die Arme von Dr. Google und die zu wirklich jeder Krankheit existierenden Foren treibt, lange bevor ein Mediziner aus Fleisch und Blut konsultiert wird. Hilflosigkeit und Angst prägen diesen Beobachtungs- und Ergründungsabschnitt. Wenn die Verzweiflung groß genug ist, wird meist das Hinzuziehen eines "Fachmanns" in Erwägung gezogen, was mitnichten bedeuten soll, dass man mit professioneller Hilfe rechnen darf. Da es sich nicht um einen Schnupfen oder eine Bänderdehnung handelt, folgt nun die Phase des Spießrutenlaufs vom Allgemeinmediziner zum Facharzt, zur Gebietskoryphäe, zum Heilpraktiker, zum Wunderheiler, flankiert von verschiedenartigsten Untersuchungen und Diagnosen. Da können schon mal unter permanter Verschlechterung der Symptomatik einige Jährchen ins finstere Land ziehen. Für viele endet hier auch schon die Reise, da die Diagnostik nicht mit der Krankheitsverschlechterung Schritt halten kann und man das Zeitliche segnet. Andere haben das Glück, einem kompetenten und aufgeschlossenen Halbgott in Weiß über den Weg zu laufen. Sie bekommen eine Diagnose, die sie dann auch gleich behalten dürfen, da es für eine Behandlung und/oder Therapie schlicht und ergreifend zu spät ist. Was bleibt ist die Möglichkeit der Akzeptanz, Mund abwischen, aufstehen, weitermachen. Andere Optionen enden meist drastisch und nicht selten letal.
Den Jackpot ziehen leider nur wenige, wie unsere Hauptprotagonistin. Eine Diagnose und die Möglichkeit einer Heilung.
Gerard Barrett konzentriert sich anfänglich bewusst auf den Zeitpunkt, wo das Unmögliche beginnt, sich Raum zu verschaffen. Das Leben einer jungen, zielstrebigen Frau bekommt erste Risse, an verschiedenen Stellen beginnt es zu Bröckeln, in der Familie, der Beziehung, am Arbeitsplatz und nicht zuletzt in der eigenen Wahrnehmung. Chloë Grace Moretz erweist sich hier als absoluter Glücksfall für die Besetzung der gebeutelten Hauptprotagonistin. Kleinste Irritationen über aggressive Ausbrüche bis hin zu völliger Katatonie spielt sie mit unglaublicher Intensität und trägt den Film fast im Alleingang. Die übrigen Figuren sind imgrunde nur Nebendarsteller, machen aber durchweg eine gute Arbeit mit diversen Highlights.
Barrett inszeniert ein beklemmendes, fast auswegloses Szenario, das tief berührt. Als Zuschauer empfindet man Wut, Hoffnung und Niedergeschlagenheit, wobei nicht jedes Auge trocken bleiben dürfte. Das ist jenseits von Kitsch oder üblichen hollywoodesken Übertreibungen solide konzipiert, macht betroffen und sehr nachdenklich.
Ich kann "Brain on Fire" guten Gewissens weiterempfehlen. Das einzige was ich ärgerlich fand, war die völlig substanzlose Kritik von Filmstarts!-Redakteur Berger, der wie ein ungezogener kleiner Junge auf der stillen Treppe sitzt und mit Goldenen Himbeeren um sich schmeißt.