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    Traumland
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Traumland
    Von Andreas Günther

    „Die Prostituierte ist ein blutiges Opfer auf dem Altar der Monogamie“, sagt in „Traumland“ ein älterer Herr und führt auch die Quelle an: Schopenhauer. Wie gemeißelt sticht dieser Satz aus dem Drehbuch zu „Traumland“ hervor. In der Dreiviertelstunde nachdem diese Aussage gefallen ist, verzweifelt man allerdings daran, dass Autorin und Regisseurin Petra Volpe mit dem Schicksal einer jungen Prostituierten im Mittelpunkt tatsächlich nichts anderes macht, als das Schopenhauer-Zitat zu verfilmen. Ihr Film „Traumland“ wirkt wie ein moralistisches Lehrstück à la Bertolt Brecht über die Schlechtigkeit der bürgerlichen Welt. So ist das an Weihnachten spielende Drama eine steife Klassikerimitation, mit der man wohl demonstrieren will, dass es mit dem Fest der Liebe nicht weit her ist.

    Am Heiligen Abend treffen alle wichtigen Personen von „Traumland“ auf Mia (Luna Zimić Mijović). Die achtzehnjährige Bulgarin geht im Züricher Rotlichtviertel auf den Strich und bedient Freier im Auto oder in der Wohnung, die sie mit ihrem Zuhälter Dávid (Kire Gjorevski) teilt. Einer ihrer Kunden ist der Geschäftsmann Martin (Devid Striesow), dessen schwangere Frau Lena (Ursina Lardi) durch Zufall vom Fremdgehen ihres Mannes erfährt und Mia aufsucht. Eine Affäre seiner Frau entdeckt auch der Ehemann von Judith (Bettina Stucky), die sich in einer Betreuungseinrichtung für Prostituierte gelegentlich um Mia kümmert. Ein weiterer Kunde Mias ist der geschiedene und vereinsamte Rolf (André Jung), der sie bekniet, ihm Gesellschaft zu leisten. Im Laufe des Tages verliert Mia, deren Mutter sich um ihre kleine Tochter kümmert, ihre harte Schale und wird zunehmend dünnhäutig. Die Niedertracht und Feigheit ihres Zuhälters und die Boshaftigkeit ihrer bigotten älteren Nachbarin Maria (Marisa Paredes) werden ihr schließlich zum Verhängnis.

    Man glaubt Filmemacherin Volpe sofort, dass Sexarbeit sie interessiert und fasziniert. Nach eigenen Angaben jobbte sie während des Studiums als „Telefonsex-Operatrice“. Für „Traumland“ recherchierte sie zudem einige Jahre lang im Milieu und projiziert ihre Neugier auf Lena, die nach der Entdeckung einer leeren Gleitmittel-Packung für Analsex in familieneigenen Auto zum Straßenstrich fährt, Mia aufgabelt und sie über ihrer Arbeit ausfragt. Mia ist dabei eine nicht nur glaubwürdige, sondern auch einnehmende Hauptfigur, die von Luna Zimić Mijović („Atmen“) perfekt ausgefüllt wird. Sie verkörpert mit einem zunächst stolz aufgerichteten, zuletzt misshandelten, bebenden und bibbernden Leib, was es heißt, die Kontrolle über sein Leben gewaltsam entrissen zu bekommen. Dagegen verblasst die schon fast ulkige Irritation, die Devid Striesow („Tatort“) als des Seitensprungs überführter Ehemann zur Schau stellt, oder die arrogante moralische Überheblichkeit von Marisa Paredes („Die Haut, in der ich wohne“) als scheinheilige Witwe.

    Die moralischen Fallhöhe, die durch Weihnachten erzeugt wird, benutzt Petra Volpe für offensichtliche Kontraste: Da sitzt ein Ehepaar mit Kindern und den Schwiegereltern um ein üppiges Essen zusammen und die betrogene, überdies hochschwangere Ehefrau fragt ihren Mann, was ihn denn daran reizt, sich von jungen Prostituierten sexuell befriedigen zu lassen. Gerade bei solchen Szenen, fragt man sich schon, ob „Traumland“ an Weihnachten spielen zu lassen, wirklich eine gute Idee der Autorin ist oder doch nur ein platter Vorwand, um pauschal gesellschaftliche Verlogenheit an den Pranger zu stellen? Von diesem moralistischen, die bürgerliche Welt hinterfragenden Theater zehrt der Film, der neben Brecht an Sartres „Ehrbare Dirne“ und auch an Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ erinnert. Die etwas angestaubte Ideologie eines didaktischen Lehrstücks wird zwar ein wenig den Anforderungen der Gegenwart angepasst, doch im Kern bleibt alles gleich. Denn was sagt „Traumland“ Neues? Und ist es überhaupt plausibel, dass der eine Mensch nur noch Gefühl ist und alle anderen Menschen auf der Welt plötzlich hartherzig werden? Spätestens in dem Moment in dem Mia sich öffnet und alle anderen sich verschließen, klebt die Filmemacherin zu eng an der rigorosen Kompositionstechnik ihrer Inspirationsquellen.

    Fazit: „Traumland“ scheitert auf hohem Niveau. Der Film ahmt seine Vorbilder trefflich nach, doch beim Herunterreißen bürgerlicher Masken macht es sich Petra Volpe zu leicht. Im Gedächtnis bleibt so vor allem die exzellent gespielte Figur der Mia.

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