Wenn über den Status quo in Hollywood diskutiert wird, geht schnell das Gejammer über fehlende Originalität, immer weitere Sequels, Prequels, Reboots oder Remakes los. Doch darüber hat sich bei Seth Rogen und Evan Goldberg („Das ist das Ende“, „Superbad“) noch niemand beschwert. Das berühmt-berüchtigte Autoren-Pärchen ist eine auf Hochtouren sprudelnde Ideenquelle. Lieber schießen die beiden über das Ziel hinaus, als zu langweilen oder in Konventionen zu versinken. Das zeigt einmal mehr die irre Animationskomödie „Sausage Party - Es geht um die Wurst“ unter der Regie von Greg Tiernan („Thomas und seine Freunde“) und Conrad Vernon („Shrek 2“). Hinter der verbirgt sich nämlich nichts anderes als ein versautes Zotenfest für Erwachsene im Gewand eines Kinderfilms (und das ist entsprechend erst ab 16 Jahren freigegeben!). Was mit einer durch die Frage „Was wäre, wenn die Lebensmittel aus dem Laden sprechen könnten?“ ausgelösten Blödelei zwischen Rogen und Jonah Hill während der 2007er Pressetour zu „Superbad“ begann, verwandelte das Drehbuch-Duo in die Vorlage zu einem animierten Anti-Disney-Film und landete damit einen (kostengünstigen, nur 20 Millionen Dollar teuren) Hit an den amerikanischen Kinokassen.
Der „Tag der bunten Streifen“ soll für die Lebensmittel in einem amerikanischen Supermarkt zum absoluten Fest werden. So hoffen das Frankfurter Würstchen Frank (Stimme im Original: Seth Rogen) und das Hot-Dog-Brötchen Brenda (Kristen Wiig), die schon einige Zeit verpackt Seite an Seite im Regal stehen, am 4. Juli zur Feier der Unabhängigkeit der USA gekauft und aus dem Laden ins „große Jenseits“ gebracht zu werden. Denn dort, so glauben sie, wartet das Paradies und das verhinderte Pärchen kann endlich vereint sein (Frank: „Ich kann’s gar nicht erwarten, morgen tief in dir zu stecken“). Aber als sie endlich im Einkaufswagen der Götter (= Menschen) landen, wird die Vorfreude durch die verstörende Botschaft eines apokalyptischen Boten erschüttert: Der Honigsenf (Danny McBride) ist schwer demoliert und emotional derangiert aus dem Jenseits zurückgekehrt und erzählt furchterregende Geschichten von einem gnadenlosen Massaker…
„Sausage Party“ ist fast so etwas wie ein Klassentreffen der Darsteller-Kumpel-Clique aus der Weltuntergangskomödie „Das ist das Ende“ hinter dem Mikrofon: Neben Seth Rogen sind auch Jonah Hill, Michael Cera, Craig Robinson, James Franco, David Krumholtz und Danny McBride als Sprecher dabei. Dieses eingespielte Team wird noch durch Spaßgranate Kristen Wiig („Ghostbusters“), Edward Norton („Birdman“), Salma Hayek („Kindsköpfe“) und Bill Hader („Maggies Plan“) verstärkt – die rustikal-deftige Originalfassung hat einige Argumente auf ihrer Seite. Die High-Concept-Grundidee wird aber auch sprachenunabhängig konsequent auf die Spitze getrieben, dabei entstehen Gags in Hülle und Fülle (und in unterschiedlichen Güteklassen): Neben den obligatorischen Popkulturzitaten gibt es noch etwas Kritik an den Auswüchsen der Konsumgesellschaft sowie eine gnadenlose Humorattacke gegen religiöse Fanatiker und deren Intoleranz. Sogar das Leben nach dem Tod wird zum Thema – die Herangehensweise ist bei all dem allerdings nicht sonderlich abwechslungsreich, denn die Supermarkt-Protagonisten wollen eigentlich nur das Eine: Sex!
Die sexuellen Anspielungen sind omnipräsent, aber wenig variiert und nicht jeder eindeutig zweideutige Witz trifft ins Ziel – trotzdem sind die Zoten überwiegend echt lustig. Und wie sich das für eine respektlose Komödie gehört, werden zwischendurch auch genüsslich einige Klischees (etwa über nationale Eigenheiten) ausgebreitet. Leise Töne haben da nur wenig Raum und ziehen gegenüber lauten Statements den Kürzeren. So gibt es in „Sausage Party“ beispielsweise für den Nahost-Konflikt eine ganz einfache Lösung: Das arabische Fladenbrot Kareem Abdul Lavash (David Krumholtz) und der israelische Bagel Sammy Bagel Jr. (Edward Norton) regeln das ganz in der Tradition von Bimmel und Bommel aus der „Harald Schmidt Show“: mit einer ausgewachsenen Analverkehr-Orgie (das gute A!). Damit ist der Ton des Films auf den Punkt gebracht.
Kein Wunder also, dass „Sausage Party“ der erste Animationsfilm ist, der in Nordamerika mit einem R-Rating (frei ab 17 Jahren) versehen wurde. Ein Food Porn sozusagen, aber im wahrsten Sinne des Wortes (und nicht so züchtig metaphorisch wie etwa in Jason Reitmans Pfirsichkuchen-Romanze „Labor Day“). Für cineastische Feinschmecker ist „Sausage Party“ also nicht unbedingt konzipiert, wer den derben Gag goutiert, bekommt jedoch Spektakuläres geboten – vor allem im orgiastischen Finale (dem Animationsäquivalent zur Horror-Schlussorgie von „The Cabin In The Woods“). Dort erreicht „Sausage Party“ seine maximale Wirksamkeit, weil alle Fesseln des guten Geschmacks endgültig gesprengt werden und auch die letzte Schamgrenze fällt.
Fazit: In der so verrückten wie originellen Animationskomödie „Sausage Party“ wird endlich die Frage beantwortet, was die Lebensmittel aus dem Supermarkt umtreiben würde, wenn sie tatsächlich lebendig wären: ein Riesenspaß.