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    Im Labyrinth des Schweigens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Im Labyrinth des Schweigens
    Von Christian Horn

    Wer das deutsche Fernsehprogramm einschaltet, trifft vor allem zu später Stunde fast täglich auf eine Dokumentation über das Dritte Reich und die Schrecken des Nationalsozialismus. Das war allerdings nicht immer so. Inmitten des Wiederaufbaus und Wirtschaftswunders der 50er-Jahre wollten die Deutschen ihre Vergangenheit unter dem Hakenkreuz am liebsten aus dem kollektiven Gedächtnis streichen. In diese Kerbe schlägt nun das deutsche Historiendrama „Im Labyrinth des Schweigens“, mit dem Giulio Ricciarelli nach vier Kurzfilmen sein Kinodebüt gibt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein junger Anwalt, der alles daran setzt, dem deutschen Volk Ende der 50er-Jahre den Holocaust vor Augen zu führen und die Handlanger des Terrors vor Gericht zu bringen.

    Deutschland im Jahr 1958: Der junge Staatsanwalt Johann Radmann (Alexander Fehling) verhandelt normalerweise schnöde Verkehrsdelikte. Doch dann entlarvt der Journalist Thomas Gnielka (André Szymanski) einen ehemaligen Soldaten der Waffen-SS, der als Wärter des Konzentrationslagers in Auschwitz tätig war und seit Kriegsende unbehelligt als Lehrer in Deutschland arbeitet. Radmann weiß zu diesem Zeitpunkt noch nichts von den Verbrechen in Auschwitz und beginnt seine Ermittlungen. Während der Recherchen stößt der Anwalt auf Widerstände in der Bevölkerung, die sich lieber in Verdrängung als Aufarbeitung übt. Der gerechtigkeitsliebende Radmann lässt allerdings nicht locker und entdeckt stückweise, was in Auschwitz vor sich gegangen ist. In dem patenten Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Gert Voss) findet er schließlich einen Verbündeten im Aufbegehren gegen das Vergessen.

    Die in „Im Labyrinth des Schweigens“ mit Hilfe der fiktiven Figur des Johann Radmann dargestellte Entwicklung ist quasi der Wegbereiter für die Auschwitz-Prozesse, die ab 1963 unter Fritz Bauer den Auftakt der deutschen Aufarbeitung markierten. An einer Stelle des Films hört der Staatsanwalt den Vorwurf, dass sich nach einer Bekanntmachung der Nazi-Verbrechen alle Kinder fragen, ob ihre Väter Mörder sind – ein Verweis auf die spätere 68er-Jugend, die zur Handlungszeit des Films noch undenkbar war. In den 50er-Jahren erlebte Deutschland unter Bundeskanzler Konrad Adenauer nämlich einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg und fand zu neuem Selbstbewusstsein. Die Scham über das Nazi-Regime wog schwerer als der Wunsch nach einer lückenlosen Aufklärung der Ereignisse, die als Spukgeschichten durch die Lande geisterten. Und so muss der Staatsanwalt im Film etwa die Frage beantworten, ob es überhaupt eine konkrete Tat oder ein konkretes Opfer gibt und muss sich anhören, dass der Aufenthaltsort des grausamen Auschwitzer Lagerarztes Josef Mengele in Südamerika ja ziemlich weit weg ist. Mit solchen Einschüben gelingt es Giulio Ricciarelli famos, genau dieses Klima jener Zeit einzufangen und von der ersten Minute an erlebbar zu machen.

    Inszenatorisch orientiert sich Ricciarelli an der Ästhetik deutscher Großproduktionen, die sich mit dem Dritten Reich befassen, wie etwa „Sophie Scholl – Die letzten Tage“. Die gelungene Ausstattung und die akkuraten Kostüme erwecken die 50er-Jahre zum Leben, während die pathetische Filmmusik ihren Anteil daran hat, dass die Story emotional aufgeladen ist. Die farbentsättigten Bilder passen zum ernsthaften Grundton der Geschichte. Aus der sehr starken Besetzung ragt dazu Alexander Fehling („Am Ende kommen Touristen“) heraus. Dass man sich über den von ihn gespielten, fiktiven Anwalt den Ereignissen nähert, ermöglicht dem Regisseur die Entwicklung eines Spannungsbogens, ohne die historischen Fakten rund um die Auschwitz-Prozesse über Bord zu werfen. Giulio Ricciarelli findet dazu immer wieder Bilder, mit denen es ihm gelingt, die Schrecken des KZ-Terrors in nonverbaler Weise spürbar machen. Drastische Bilder lässt er allerdings weg, auch dies ist ein kluger Schachzug. So überlässt er den genauen Ablauf der Vorstellung des Publikums, zwingt förmlich zur weiteren Auseinandersetzung. Das Ergebnis: „Im Labyrinth des Schweigens“ ist nicht nur ein spannend erzähltes, durchaus fesselndes Drama, sondern vor allem auch ein Film, der zum Nachdenken anregt.

    Fazit: Ruhig erzähltes und thematisch reifes Polit-Drama, das ein wichtiges Kapitel der bundesdeutschen Vergangenheit behandelt.

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