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    Tatort: Allmächtig
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Allmächtig
    Von Lars-Christian Daniels

    Mit „Aus der Tiefe der Zeit“ kam auch 2013 – wie so oft in der Vergangenheit - eine der besten (wenn auch in diesem Fall zusätzlich umstrittensten) „Tatort“-Folgen des Jahres aus der bayerischen Landeshauptstadt: Der zehnfache Grimme-Preisträger Dominik Graf („Im Angesicht des Verbrechens“) scherte sich in seinem bärenstarken und raffiniert inszenierten Münchner Fadenkreuzkrimi wenig um die Sehgewohnheiten des Sonntagabendpublikums und musste sich nach der Ausstrahlung im Oktober viel Kritik gefallen lassen. Vielen Zuschauern war sein sperriger Film zu anstrengend, zu komplex und zu verwirrend. Davon ist der Münchner „Tatort“-Nachfolger „Allmächtig“ weit entfernt: Oscar-Gewinner Jochen Alexander Freydank (Bester Kurzfilm für „Spielzeugland“), der nach dem Kriegsheimkehrer-Krimi „Heimatfront“ zum zweiten Mal für einen „Tatort“ auf dem Regiestuhl Platz nimmt, holt zu einem relativ plumpen Rundumschlag gegen Reality-TV-Formate aus und hält dabei kaum Überraschungen in der Hinterhand.

    Der ich-fixierte Entertainer Albert A. Anast (Alexander Schubert) ist der Star eines entwürdigenden Reality-Formats, das im Internet für Furore sorgt und nun auch ins Fernsehen kommen soll. Doch daraus wird nichts: Anast, der viele Menschen vor der Kamera bloßstellt und täglich Morddrohungen erhält, ist verschwunden und verpasst sogar die Feier seiner Produktionsfirma „AAA“, bei der auf den Erfolg der Sendung angestoßen werden soll. Die gleichberechtigte Firmenteilhaberin Ines Lohmiller (Claudia Hübschmann), die im Schatten ihres ehrgeizigen Geschäftspartners steht, ist ebenso ratlos wie ihr pflastertragender Kollege Nik Erdmann (Dominic Boeer), der sich angeblich bei einem Fahrradsturz verletzt hat. Die Münchner Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) nehmen die Ermittlungen auf und finden in einer übel riechenden Messi-Wohnung die Leiche der ehemaligen Finanzbeamtin Maria Kohlbeck (Katja Brenner), die wie viele weitere Anast-Opfer Zuflucht bei Pfarrer Fruhmann (Ernst Stötzner) und dem jungen Pater Rufus (Albrecht Abraham Schuch) gesucht hatte. Anast hatte Kohlbeck kurz vor seinem Verschwinden mit  seinem Kameramann Fritz Kreininger (Matthias Lier) daheim überrascht. Wenig später wird auch die Leiche des arroganten Entertainers gefunden – doch nicht einmal seine Freundin Sarah Möltner (Theresa Underberg) scheint ihm eine Träne nachzuweinen...  

    Albert liebt Albert, und dann kommt erstmal lange nichts“, bringt TV-Produzentin Lohmiller das  egozentrische Wesen des ermordeten Skandalreporters, der für ein paar mehr Videoklicks im Netz keine Tricks und moralischen Hindernisse scheut, zynisch auf den Punkt. Und tatsächlich: Wer den Satan als Anagramm im Nachnamen trägt und im Türschloss-Code seiner teuren Wohnung die Zahl „666“ unterbringt, der muss einfach abgrundtief böse sein. Zumindest in der Welt der Drehbuchautoren Harald Göckeritz, Gerlinde Wolf und Edward Berger: Das erfahrene TV-Trio rückt mit dem skrupellosen Vorzeige-Arschloch Anast, der vor der Kamera fleißig mit Geldscheinen wedelt, einen fleischgewordenen Teufel ins Zentrum der Handlung, den auch der Zuschauer nur verachten kann, während seine schonungslos bloßgestellten Opfer vom Zuschauer ausnahmslos bedauert werden sollen. Das ist ein bisschen zu einfach – nicht zuletzt, weil beispielsweise die der Lächerlichkeit preisgegebene Finanzbeamtin Kohlbeck immerhin blöd genug ist, den Mann vom Fernsehen in ihre vollkommen verwahrloste Wohnung zu bitten und buchstäblich im eigenen Dreck wühlen zu lassen.

    Während Alexander Schubert in Freydanks schwarz-weiß-gezeichneter TV-Schelte einen angenehm charismatischen und herrlich fiesen, bisweilen aber fast karikaturesk anmutenden Skandalreporter mimt, der einen krassen Gegensatz zu seinem zugeknöpft-schüchternen Außenreporter Albrecht Humboldt im preisgekrönten ZDF-Format „heute-show“ bildet, ist der ehemalige Saarbrücker „Tatort“-Kommissar Gregor Weber in „Allmächtig“ als gebeutelter Ehemann der Verstorbenen zu sehen. Bleibenden Eindruck hinterlässt der 2011 vom Saarländischen Rundfunk im Zuge einer medialen Schlammschlacht gefeuerte Schauspieler dabei nicht, was vor allem an seiner eindimensional angelegten Rolle als Ex-Restaurantbesitzer und Imbisswirt liegt. Auch sonst versieht das Autorentrio keinen der Verdächtigen mit nennenswertem Tiefgang: Es sind einfach viel zu viele, als dass in einem eineinhalbstündigen Fernsehfilm noch Zeit für ausführliche Charakterzeichnung bliebe.

    Einmal mehr thematisiert der Münchner „Tatort“ auch Glaubensfragen: Nachdem der gewohnt bissige Batic („Auf was für Ideen man kommt, wenn man keinen Sex hat!“) und sein langjähriger Kollege Leitmayr 2011 im „Tatort: Ein ganz normaler Fall“ einen spannungsarmen Crash-Kurs in Sachen Judentum absolvieren mussten, werden sie diesmal mit angestaubten Exorzismuspraktiken und mittelalterlichen Bräuchen konfrontiert, die sich im Christentum offenbar bis heute gehalten haben. Na klar: Wenn der Krimititel „Allmächtig“ lautet, dann ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass der Weg zur Auflösung der Täterfrage nur über Gesangsbuch und Weihwasser führt. Und spätestens im Schlussdrittel verliert der 890. „Tatort“ endgültig die Bodenhaftung: Der buchstäblich heiße Showdown, bei dem die beiden Kommissare den geständigen Mörder in letzter Sekunde vor dem sicheren Flammentod bewahren, driftet eher in die unfreiwillige Komik ab, als am Ende noch einmal für den erhofften Spannungsmoment zu sorgen.

    Fazit: Oscar-Gewinner Jochen Alexander Freydank inszeniert mit „Allmächtig“ einen spannungsarmen und vorhersehbaren Münchener „Tatort“, der weder als Sonntagabendkrimi noch als TV- und Kirchenschelte überzeugt.

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