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    Amy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Amy
    Von Carsten Baumgardt

    27! Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain – sie alle starben in diesem frühen Alter und am 23. Juli 2011 gesellte sich auf tragische Weise ein weiteres Mitglied zu diesem Club der toten Rock ‘n‘ Roller: Amy Winehouse. Die begnadete Soul- und Jazz-Sängerin, die 25 Millionen Platten verkaufte und sechs Grammys gewann, verschenkte ihr Talent an den Tod, ihr durch Drogen und Bulimie dauerbelastetes Herz blieb bei 4,16 Promille Alkohol im Blut stehen. Filmemacher Asif Kapadia („Senna“) arbeitet das Leben der Musik-Ikone mit der markanten Beehive-Frisur in seiner brillant inszenierten Dokumentation „Amy“ auf. Seine aufwändige Chronik von Aufstieg und Fall eines Weltstars ist visuell höchst eindrucksvoll, allerdings begibt sich der Regisseur dabei auch auf moralisches Glatteis.

    Gespräche mit rund 100 verschiedenen Interviewpartnern, private Videos aus diversen Quellen in Amy Winehouses Umfeld, Aufnahmen von Konzerten und TV-Shows - das alles montiert Regisseur Asif Kapadia geschickt zu einem ebenso schlüssigen wie tragischen Mosaik, wobei er dem Publikum viele intime Einblicke in die seelischen Abgründe der Sängerin verschafft. Die Inszenierung ist dynamisch und abwechslungsreich - wie schon in „Senna“ verzichtet der Filmemacher bei seinen Interviews auf die oft so öden „Talking Heads“, die allzu viele Dokumentationen prägen. Die integrierten Privataufnahmen sind zwar von häufig minderer Qualität, aber sie geben roh und authentisch Auskunft über weniger bekannte Aspekte von Amys Geschichte. Wunderbar funktioniert auch der Einfall, die Songtexte simultan zum Mitlesen über die Leinwand laufen zu lassen, schließlich schrieb Winehouse die meisten ihrer Lieder selbst und legte in ihnen ihr Innenleben offen.

    Asif Kapadia hatte für sein Filmprojekt die volle Unterstützung von Winehouses Familie, er schont die Angehörigen bei seiner Aufarbeitung allerdings nicht, sodass Amys Vater Mitchell sich hinterher als Buhmann in die Ecke gedrängt sah, der ihren Tod hätte verhindern können. Wenn der Senior hier tatsächlich nicht im besten Licht erscheint, dann hat er sich das jedoch zum größten Teil selbst zuzuschreiben: Überaus vielsagend ist eine Szene, in der der umtriebige Mitchell unangemeldet mit der TV-Crew einer Dokusoap auf der Karibikinsel St. Lucia aufkreuzt, wo Amy auf der Flucht vor der Paparazzi-Meute bei einer Entziehungskur zur Ruhe zu kommen versucht. Der egoistischen Fahrlässigkeit des Vaters folgte der nächste Zusammenbruch der Tochter. Solche unglücklichen Episoden bezeugen den enormen Druck, der auf der jungen Frau lastete und an dem sie letztlich auch zu Grunde ging.

    Amy Winehouse war nach Prinzessin Diana die wohl berühmteste Zielscheibe der berüchtigten britischen Boulevardpresse. Sie selbst ahnte früh, dass sie der ständigen unerbittlichen Beobachtung durch die Öffentlichkeit auf die Dauer nicht standhalten könnte und taumelte hilflos einem im Rückblick vorgezeichnet scheinenden Untergang entgegen - bis zu ihrem letzten Auftritt, jenem fatalen Konzert in Belgrad, bei dem sie torkelnd und lallend auftrat, ehe sie vorzeitig die Bühne verließ. Die beschämende Rolle von Teilen der Medien in Winehouses Leben beschönigt Asif Kapadia genauso wenig wie das Verhalten der Familie oder ihre eigenen Dämonen, umso befremdlicher ist es, dass er sich mit den Aasgeiern des Boulevards auf eine Stufe stellt, indem er selbst immer wieder so ausführlich auf Paparazzi-Videos und -Fotos zurückgreift. Bei der Abwägung zwischen Chronistenpflicht und angemessener Zurückhaltung fehlt zuweilen das Feingefühl - so bleibt trotz des erkennbaren Bemühens um ein faires und differenziertes Porträt ein unangenehmer Beigeschmack.   

    Fazit: Asif Kapadia setzt der früh verstorbenen Ausnahmesängerin Amy Winehouse in seiner akribischen Dokumentation „Amy“ kein schwärmerisches Denkmal, sondern würdigt eindrucksvoll ihr Talent und zeigt zugleich - schonungslos auch in der Wahl seiner Mittel - wie sie auf den Abgrund zuraste.

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