Ob ein Schauspieler in einem Heimatfilm oder einem Hardcorestreifen mitwirkt, ist sicherlich ein großer Unterschied - so wird das auch in der Genreparodie „Kaiserschmarrn“ gesehen … allerdings mit verblüffenden Ergebnissen. Während in Daniel Krauss´ drittem Spielfilm auf dem Set einer Herz-und-Schmerz-Alpensaga nur Bosheit regiert, geht es beim am selben Ort drehenden Pornoteam dagegen nett und fürsorglich zu. So derb, wie es für die Aufführung in einem ordentlichen Kino gerade noch schicklich erscheint, beschreibt Regisseur Krauss in „Kaiserschmarrn“ die Pornoindustrie als Hort der Zärtlichkeit, die nur äußerlich saubere Unterhaltungsindustrie dagegen als Schlangengrube. Die Sprengkraft, die der Film im Ansatz liefert, wird dabei allerdings oft hinter plakativem Humor versteckt.
Alex Gaul (Antoine Monot, Jr.) möchte am liebsten auf den Brettern von Shakespeares Globe-Theater den King Lear geben, während seine Großmutter Heidrun (Grit Boettcher) davon träumt, dass ihr Enkel die Hauptrolle in einem schönen Heimatfilm übernimmt, wie sie ihr Idol Zacharias Zucker (auch Antoine Monot, Jr.) dreht. Von beidem ist Gaul weit entfernt, verdient er seine Brötchen bislang doch als Pornodarsteller beim schmierigen Sexstreifen-Produzenten Edwin Hammersau (Franz Meiller). Entschlossen, Omas Wunsch wahr werden zu lassen, überredet er Hammersau zum Dreh am Wörthersee, wo das nächste Werk von Zucker inszeniert wird. Als seine Bitte um eine Rolle bei Zucker kein Gehör findet, schlägt er ihn bewusstlos und tritt, da er ihm bis aufs Doppelkinn gleicht, an seine Stelle. Der Spagat zwischen Hardcore und Schmachtfetzen droht Gaul allerdings aufzureiben, doch die karriereversessene Silke (Anna Eger) gibt ihm Tipps im Umgang mit den Heimatfilmern und die attraktive Bäuerin Yve (Anna Julia Kappelsberger) ehrlichen Trost.
Ob die untergehende Sonne über dem Wörthersee zu sehen ist oder nicht, die Kameramänner Nicu Mihailescu und Markus Nestroy haben das Filmemachen in „Kaiserschmarrn“ in schmutziges Rotgold getaucht. Man könnte diese Farbwahl als Symbol für den unaufhaltsamen Niedergang der audiovisuellen Kunstform verstehen, die an heuchlerischem Kitsch und mechanischem Körperexhibitionismus gleichermaßen zugrunde zu gehen droht. Die Schuld daran tragen Spießer mit verdrängten Lüsten ebenso wie mediokre Fernsehheinis.
Diese scheinbar völlig fremden Welten zwischen Sex- und Heimatfilm, zwischen Kleinbürgertum und TV-Elite macht Antoine Monot Jr. („Absolute Giganten“) in seiner virtuos gespielten Doppelrolle Gaul/Zucker als zwei Seiten einer Medaille sichtbar. Zucker ist entrückter Idylle-Star und Durchschnitts-Schmuddel-Freak zugleich. Vollgepumpt mit Alkohol und Drogen, verschanzt hinter undurchdringlicher Sonnenbrille, behandelt der Übergewichtige in Lederhose und Seppelhut Fans und Kollegen wie den letzten Dreck – und kann es kaum erwarten, sich auf dem Hotelzimmer mit dem Zimmerservice zu vergnügen oder das neueste Rammelepos anzuschauen.
In die Fänge der Heimatfilm-Fernsehproduktion treibt Gaul das Verlangen nach Kunst und Harmonie, nur um zu entdecken, dass die Alpensaga Zuckers davon ebenso weit entfernt ist wie die billigen Porno, für die er sonst vor der Kamera steht. Denn auch hier ist der Nährboden Dummheit, Intrigen und Heimtücke. Hirnlose Produzenten faseln vom Grimme-Preis und träumen von Pornohäschen, gefrustete Senderbeauftragte zittern dem Senderchef in der Sänfte (Ilja Richter) entgegen – und Gaul alias Zucker muss erkennen, wie dreist die Stars agieren: Bei Texthängern wird da schon mal einfach die Kulisse zerstört.
So famos die Idee dieser Gegenüberstellung ist, die Mittel der Farce werden einfach nicht konsequent genug für einen entlarvenden Blick auf die Zustände verwendet. Die Wanderungen des falschen Zucker-Schnurrbarts über Gauls Gesicht oder seine schweißtreibenden Anstrengungen das Doppelspiel zu bewältigen sind zwar amüsant, bleiben jedoch auf dem Reflexionsniveau einer Boulevardkomödie stehen. Merkwürdigen Genuss bereitet es der Regie zudem, wenn Fäkalien in Gauls Gesicht spritzen oder sich Sperma malerisch um die Mundwinkel einer Frau rankt. Es mutet dann doch etwas naiv an, wenn die ausschweifende Körperlichkeit der Pornodarsteller zunehmend als Garant schonungsloser Ehrlichkeit beschrieben wird.
Fazit: „Kaiserschmarrn“ soll eine bitterböse Abrechnung mit der Unterhaltungsindustrie sein, der die Pornobranche als fast schon liebenswerte Alternative gegenübergestellt wird. Der interessante Ansatz spielt jedoch allzu oft nur zweite Geige hinter plakativen, derben Scherzen.