Anfang der 1990er Jahre starben kurz nacheinander die schweizerischen Schriftsteller Friedrich DÜRRENMATT (1921-1990) und Max FRISCH (1911-1991), die beide zu den wichtigsten Autoren im deutschsprachigen Raum gehörten und durchaus auch als Kandidaten für den NOBELPREIS für Literatur gehandelt wurden. DÜRRENMATT war der Populärere von den beiden, nach seinen Stoffen waren bereits Filme wie ES GESCHAH AM HELLLICHTEN TAGE mit Heinz RÜHMANN und DER BESUCH mit ACADEMY AWARD winner Ingrid BERGMAN entstanden. Sein Roman JUSTIZ war im Jahre 1985 in seinem Hausverlag DIOGENES in Zürich erschienen, konnte aber erst nach dem Tod des Autors verfilmt werden. So sieht man denn auch im Film ein Zürich, wie es zu Anfang der 1990er Jahre ausgesehen hat.
Erzählt wird eine unerhörte Begebenheit: Ein angesehener Regierungsrat (ACADEMY AWARD winner Maximilian SCHELL) erschießt vor den Augen der gehobenen Zürcher Gesellschaft einen Mann. Nachdem der Regierungsrat Dr. Isaak Kohler schon einige Wochen im Gefängnis verbracht hat, beauftragt seine Tochter Helene (Anna THALBACH) einen idealistischen Junganwalt (Thomas HEINZE) mit der Neubetrachtung des eigentlich offensichtlichen Falls. Zu spät erkennt der vom Geld geblendete Anwalt, in welches Intrigenspiel er da hineingeraten ist...
Seit Mitte der 1980er Jahre wurde der deutsche Regisseur Hans Werner GEISSENDÖRFER vor allem als der Erfinder und Produzent der langlebigen Familienserie LINDENSTRASSE wahrgenommen. Nach dem Vorbild britischer Serien wie CORONATION STREET und EASTENDERS hatte sich der westdeutsche Fernsehsender ARD eine ähnliche Serie gewünscht, die dann auch von 1985 bis 2020 zeitweise recht erfolgreich laufen sollte. Dabei war GEISSENDÖRFER schon vorher als Regisseur sehr erfolgreich gewesen. Für seine Patricia-Highsmith-Verfilmung DIE GLÄSERNE ZELLE hatte er im Jahre 1979 eine ACADEMY AWARD nomination erhalten. Drei Jahre später folgte dann die aufwendige Verfilmung von DER ZAUBERBERG, dem berühmten Roman von Literaturnobelpreisträger Thomas MANN. Das Geld, das GEISSENDÖRFER mit der Produktion der LINDENSTRASSE verdienen konnte, nutzte er dann sicherlich auch für Kinofilme wie JUSTIZ.
Und dieses Geschäftsmodell hat sich gelohnt. Die Dürrenmatt-Verfilmung ist überraschend gewagt, wenn man an den furiosen Nackt-Auftritt von Suzanne von BORSODY (Tochter von Rosemarie FENDEL und CINECITTA-Divo Hans von BORSODY) in der Rolle einer Zürcher Edel-Prostituierten denkt. In weiteren Rollen glänzen Ulrike KRIENER, Regisseur Hark BOHM und Dietrich SIEGL, der als Tennislehrer Stefan Nossek aus den ersten drei Jahren der LINDENSTRASSE unvergessen bleibt und auch auf der Leinwand eine beeindruckende Vorstellung gibt.
Und dann ist da noch Maximilian SCHELL als Hauptdarsteller, im Jahre 1962 hatte er für seine Rolle in JUDGMENT AT NUREMBERG den ACADEMY AWARD erhalten. SCHELL ist überragend in einer Geschichte, in der Justiz mit Gerechtigkeit verwechselt wird.
Eine erneute ACADEMY AWARD nomination hat Hans Werner GEISSENDÖRFER für JUSTIZ nicht erhalten, sein Film ist aber im Jahre 1994 für einen GOLDEN GLOBE nominiert worden. Völlig zu Recht!