Theater und Film haben vieles gemeinsam, doch zugleich gibt es auch so vieles, was sie trennt. Wenn die Bühne der ausschließliche Schauplatz einer dokumentarischen Kinoerzählung ist, geht das daher sehr oft daneben. Das Geschehen wirkt dann oft statisch, es droht mit dem despektierlichen Begriff „abgefilmtes Theater" abgetan zu werden. Regisseur Niko von Glasow, der einst bei Rainer Werner Fassbinder seine Ausbildung begann, dokumentierte nichtsdestotrotz mit der Kamera ein Theaterstück, welches er gemeinsam mit einer Gruppe von behinderten und nichtbehinderten Schauspielern erarbeitete. In „Alles wird gut" geht es dabei – anders als der Titel vermuten lässt - nur am Rande um das Vordergründige, das Ehrenwerte und Gutmenschliche. Am stärksten ist der Film da, wo von Glasow die Mechanismen der Repräsentation hinterfragt, wo er Wirklichkeit und Fiktion verschwimmen lässt und damit den Blick für das Konstruierte in allem Dokumentarischen schärft.
Am Anfang stand wenig mehr als der Auftrag an von Glasow, für das Kulturfestival Sommerblut in Köln ein Theaterstück mit „möglichst vielen Behinderten" zu machen. Und man fragt sich: Wer, um Himmels willen, denkt sich so etwas aus – und formuliert es dann auch noch so? Das Grundkonzept des von Glasow inszenierten Stücks klingt entsprechend auch furchtbar gut gemeint und überaus offensichtlich: Bei einer Casting-Show werden die behinderten Teilnehmer in einen abgelegenen Raum abgeschoben und dort vergessen. Darunter ist Manon (Manon Wetzel), die im Rollstuhl sitzt, aber mehr von ihrer überbesorgten Mutter (Bettina Muckenhaupt) behindert wird als von ihrer spastischen Lähmung. Oder der erfolglose Schauspieler Oliver (Oliver Grice), der sich bessere Chancen erhofft, wenn er so tut, als säße er im Rolli und der sich in Jana (Jana Zöll) verliebt. Und noch viele andere, die zueinander finden, sich gegenseitig Mut machen und im Kampf gegen die oberflächengeilen Medien bestärken.
Dass Niko von Glasow selbst contergangeschädigt ist, mag ihn davor bewahrt haben, nur zeigen zu wollen, dass auch Behinderte schauspielern können. Über diese Erkenntnis ist er längst hinaus, stattdessen sagt von Glasow: „Alle Schauspieler sind behindert, besonders die guten." Er zwingt seine Darsteller, mit denen er ihre Figuren in langen Improvisationen gemeinsam erarbeitet, zum Seelenstriptease, fragt sie, was ihre Behinderung denn sei, und tatsächlich: Jeder scheint eine zu haben, sowohl die ganz offiziell Behinderten als auch die vermeintlich Nicht-Behinderten. „Konfliktunfähigkeit", nennt etwa Annika Reinicke und sie ist dann auch so ziemlich die einzige, die in dem nervenaufreibenden Prozess der Proben und Improvisationen nicht irgendwann mit von Glasow aneinander gerät.
Die gemeinsame Arbeit an dem Theaterstück ist bewusst auf Konfrontation ausgerichtet. Die blinde Darstellerin Leslie Ann Mader etwa reagiert auf Geräusche in ihrer Umgebung, sie wendet dann den Kopf. Von Glasow wirft ihr vor, das sehe aus, als sei sie gar nicht blind. Ein phänomenaler Wutausbruch folgt. Und in einer weiteren Szene entreißt Jana Zöll Oliver Grice einen Zettel mit einem Liebesgedicht, woraufhin er ausflippt, Stühle durcheinander wirft, sich die Haare rauft und zu weinen beginnt. Die Kamera bleibt in dieser Szene respektvoll auf Distanz, das klare Signal: Das ist echt! Der Ausbruch findet anschließend auch Eingang ins Theaterstück, doch Fragen bleiben: War das von vorneherein so geschrieben und nur Olivers Reaktion echt? Oder sogar noch nicht einmal diese? Von Glasow erzeugt mit seiner Methode echte Verstörung, sowohl bei den Schauspielern als auch bei den Kinozuschauern. Vom Theater, vom künstlerischen Schaffensprozess und von der Reibung zwischen Bühne und Film erzählt er in seinem Film mindestens ebensoviel wie von den unzähligen Behinderungen, die es gibt, in Armen, Beinen – und im Kopf.
Fazit: Vordergründig eine Dokumentation über Behinderung und ihre Darstellung in Medien und Kunst, wird „Alles wird gut" bald zu einer faszinierenden Reflexion über das Wahre, das im Fiktiven steckt – und umgekehrt.