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    Grossstadtklein
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Grossstadtklein
    Von Carsten Baumgardt

    In den 90er Jahren erlebte die deutsche Komödie eine kommerzielle Renaissance und es entstand eine wahre Flut von Lustspielen Made in Germany. Es schien für eine Weile, als beherrschten die heimischen Filmemacher gar nichts anderes mehr als heiter-beseelte Schwänke mit Katja Riemann. Nur selten waren die so gelungen wie der Superhit „Der bewegte Mann“, aber erst nach jeder Menge Konfektionsware vom Schlage „Ein Mann für jede Tonart“ oder „Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit“ ebbte das Publikumsinteresse allmählich ab. Seit einiger Zeit zeichnet sich nun ein vergleichbarer Trend ab – wenn auch bisher in viel kleineren Dimensionen: Jetzt sind es Komödien von und mit Til Schweiger wie „Keinohrhasen“ und „Kokowääh“, die die Massen in die Kinos locken und anderen Filmemachern als Blaupause dienen. Nachdem schon Matthias Schweighöfer den patentierten Inszenierungsstil des älteren Kollegen sehr erfolgreich, aber mit Reibungsverlusten bei der Qualität abkupfert (siehe: „Schlussmacher“, „What A Man“), steht der nächste Schweiger-Schüler bereit: Jung-Regisseur Tobias Wiemann folgt bei seiner romantischen Komödie „Grossstadtklein“ (mit gaaanz vielen „s“) ebenfalls weitgehend der bewährten Formel – kein Zufall, denn schließlich wurde die Städter/Landei-Posse von Schweiger persönlich produziert. Trotz sympathischer Darsteller scheitert „Grossstadtklein“ jedoch an einer unausgegorenen und altbackenen Geschichte.

    Ole (Jacob Matschenz) ist Anfang 20 und genießt das beschauliche Leben in der allertiefsten Provinz Mecklenburg-Vorpommerns. Die größte Aufregung bieten die forschen Moped-Rennen, die er mit seinen besten Freunden Ronny (Kostja Ullmann) und Marcel (Pit Bukowski) knatternd ausficht. Oles heile Welt wird erschüttert, als seine Mutter Susanne (Ulrike Krumbiegel) ihm mit Hilfe seines Opas Karl (Heinz W. Krückeberg) heimlich eine Praktikumsstelle als Kalender-Designer in Berlin verschafft. Wohnen soll Ole bei seinem Cousin Rokko (Klaas Heufer-Umlauf), den er vorher überhaupt nur ein einziges Mal gesehen hat. Das wiederum hat triftige Gründe: Oles Vater Heinz (Markus Hering) und Rokkos Vater Manni (Tobias Moretti) sind seit 25 Jahren heillos zerstritten und reden kein Wort mehr miteinander. Doch Oles anfängliches Unbehagen angesichts dieser Situation legt sich schlagartig, als in Rokkos Wohnung plötzlich die ebenso hübsche wie verrückte Erzieherin Fritzi (Jytte-Merle Böhrnsen) nackt vor ihm steht und er sich auf der Stelle in sie verliebt.

    Die Produzenten Til Schweiger und Tom Zickler machten Nachwuchsregisseur Tobias Wiemann ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte: Er sollte seinen Kurzfilm „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ für die große Leinwand weiterentwickeln. Für seine lange Version der Meck-Pomm-Rom-Com folgt er – ob gewollt oder nicht – nun auffällig stark dem Schweiger‘schen Muster: Da wechseln sich deftige Zoten mit sentimentalen Momenten ab, Dialoge werden mit einem permanent wummernden Soundteppich unterlegt, in fetzigen Montagesequenzen wird zu eingängig-flotter Popmusik so manches Problem durchgestanden und im Kindergarten sind Oilily-Uniformen Pflicht. Alle diese dramaturgischen Fertigbauteile benutzt auch Tobias Wiemann in seiner grundsoliden Inszenierung und reichert sie mit Lokalkolorit an.

    Die Probleme von Wiemanns Film liegen abseits von Formfragen. Sie fangen bei der altmodischen Prämisse eines nicht mehr zeitgemäßen Stadt-/Land-Gegensatzes an, setzen sich über die grobe Figurenzeichnung fort und enden erst beim forciert sentimentalen Finale. Die Klischees, die hier über trottelig-bräsige Dörfler und arrogant-oberflächliche Großstädter ausgepackt werden, sind so angestaubt wie die Charaktere überzeichnet. Da ist die Mutti, die für den Sohnemann mal eben ohne Absprache ein Praktikum im finsteren Moloch Berlin klarmacht; der Opa, der heimlich die große Familienversöhnung einfädelt; der coole Cousin, der bei der Schamhaarfrisur verunglückt oder der homosexuelle Arbeitskollege, der sich nachdem Ole seine Annäherungsversuche zurückgewiesen hat, hysterisch an seinen Vater und Chef wendet, um den bösen Hetero-Praktikanten hochkant rausschmeißen zu lassen. Wer solche Stereotype auffährt, der muss sie mit einer Menge Esprit präsentieren und sollte genau wissen, worauf er hinaus will. Aber „Grossstadtklein“ fehlt die zielgenaue Zuspitzung ebenso wie der erzählerische Fokus. Wiemann kann sich nicht zwischen Culture-Clash-Komödie, Familienversöhnungs- und Liebesgeschichte entscheiden, dazu lässt er einige der zahlreichen Handlungsstränge einfach ohne Auflösung fallen.

    „Grossstadtklein“ wäre eine weitgehend trostlose Angelegenheit, wenn da nicht die überzeugenden Schauspieler wären - allen voran Tobias Wiemanns Ehefrau Jytte-Merle Böhrnsen („Lost Place“), die sich in kleineren Rollen in den Schweiger-Produktionen „Kokowääh 2“ und „Schutzengel“ für höhere Aufgaben empfohlen hat. Der Anspruch darf gerade nach „Grossstadtklein“ weiterhin gelten. Die gebürtige Hamburgerin ist als frech-quirlige Berliner Göre ein belebendes Element, weil sie immer etwas Unberechenbares ausstrahlt und gleichzeitig Charme hat. Warum Ole dieser flippigen Fritzi verfällt, ist sofort offenkundig. Dem verleiht Jacob Matschenz („Dreileben - Etwas Besseres als den Tod“) trotz aller Provinzler-Klischees eine gewisse Würde, wozu die kalauernden Kostja Ullmann („Groupies bleiben nicht zum Frühstück“) und Pit Bukowski („Lost Place“) als Oles dörfliche Sidekicks wiederum keine Gelegenheit bekommen. Die besten Momente hat jedoch Tobias Moretti („Jud Süß“) als Manni. Er reißt mit seinem Haudegen-Charisma viele Szenen an sich und zugleich deutet er wenigstens zeitweise emotionale (Un-)Tiefen an – von einer solchen Komplexität ist der Film sonst meist weit entfernt.

    Fazit: Opas Puschenkino trifft Til Schweiger. Bei seiner romantischen Culture-Clash-Komödie „Grossstadtklein“ wandelt Regiedebütdant Tobias Wiemann durchaus souverän auf den inszenatorischen Pfaden seines Mentors Schweiger, enttäuscht jedoch mit einer überzeichneten und klischeeüberladenen Geschichte.

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