Wenn ein Film ein weltweites Kino-Einspielergebnis von 486 Millionen Dollar erreicht wie das Animationsabenteuer „Rio“, dann ist eine Fortsetzung fast schon unvermeidlich und man will es den Studiobossen gar nicht verübeln, dass sie einem vielversprechenden Geschäft nicht widerstehen mögen. Eine ganz andere Frage ist, wie ein solches Sequel dann gestaltet wird. Im Fall von „Rio 2 – Dschungelfieber“, mit dem Carlos Saldanhas tropisches Gegenstück zum Eiszeit-Franchise „Ice Age“ in die zweite Runde geht, wird auf das Prinzip der Steigerung gesetzt: mehr Handlungsstränge, mehr Figuren, mehr Musik, mehr Stars, mehr Aufregung. Wieder einmal soll für alle etwas dabei sein und wieder einmal geht bei einem solchen Versuch der erzählerische Zusammenhalt verloren. Als Dschungel-Musical ist „Rio 2“ eine uneinheitliche Nummernrevue, als Familien-Komödie halbherzig und die Öko-Botschaft wirkt aufgesetzt. Es bleibt ein lautes, buntes 3D-Spektakel auf hohem technischen Niveau, das atemlos-kurzweilige Unterhaltung für Groß und Klein bietet – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die beiden Spix-Aras Jewel (Stimme: Anne Hathaway, deutsche Sprecherin: Johanna Klum) und Blu (Jesse Eisenberg/David Kross) haben sich mit ihren drei Kindern in Rio de Janeiro niedergelassen. Als die Papageienfamilie jedoch aus einem Fernsehbericht erfährt, dass sie doch nicht wie bisher geglaubt die allerletzte ihrer Art ist, erwacht in Jewel das Heimweh nach dem Regenwald. Sie will, dass die Kinder ihre Wurzeln kennenlernen und überredet Blu zu einem Trip an den Amazonas, dem sich auch seine gefiederten Kumpel Rafael (George Lopez/Roberto Blanco), Nico (Jamie Foxx/Reedoo) und Pedro (will.i.am/Mateo) anschließen. Nach einem 3000-Kilometer-Flug treffen sie tatsächlich mitten im Dschungel auf eine Gruppe Spix-Aras und die wird von niemand anderem als von Jewels Vater Eduardo (Andy Garcia) angeführt! Der zackige Alte hält seinen Schwiegersohn allerdings für ein verweichlichtes Haustier, außerdem wird Jewel von ihrem charmanten Jugendfreund Roberto (Bruno Mars) umschmeichelt. Der eifersüchtige Blu möchte am liebsten zurück nach Rio, aber als Holzfäller sich dem Ara-Reservat nähern, ist angesichts der drohenden Gefahr seine Menschenkenntnis gefragt.
Schon die berühmte Fox-Fanfare zu Beginn des Films ist mit Samba-Rhythmen unterlegt und es geht gleich mitten hinein in das pulsierende Getümmel an der Copacabana. In Rio wird Neujahr gefeiert und im doppelten Sinne ein Feuerwerk gezündet. Der selbst in der brasilianischen Metropole geborene Regisseur Saldanha eröffnet „Rio 2“ mit einer wahren Explosion von Farben und Tönen und erzielt dabei einige erstaunliche (3D-)Effekte. Zugleich wirkt der Frontalangriff auf die Sinne aber auch etwas hektisch, ein Eindruck, der sich im Verlauf des Films immer wieder einstellt – und das vor allem bei den eigentlich ruhigeren Szenen, in denen die Handlung vorangetrieben wird. So sind die besten Momente solche, die für sich allein stehen können: eine Tanz-Nummer im Stil eines 30er-Jahre-Busby-Berkeley-Musicals, bei der die Kaleidoskop-Choreographie durch die pulsierenden Farben der exotischen Fauna und Flora zu einem wahren Rausch in 3D wird; ein Papagei, der mit einer elektrischen Zahnbürste hantiert; ein Paar Schildkröten, das einen Zeitlupen-Tanz aufführt oder die irre komische Darbietung eines Moskito-Orchesters. Und für gleich mehrere denkwürdige Szenen sorgt die seltsame Romanze zwischen dem Kakadu Nigel (Jemaine Clement/Christian Brückner) und der giftigen violetten Kröte Gabi (Kristin Chenoweth/Annett Louisan) – der künstlerisch ambitionierte Bösewicht und der unglücklich verliebte Frosch stehlen den Hauptfiguren deutlich die Schau.
Pfannkuchen oder Paranuss? Das ist die entscheidende Frage für Blu und seine Ara-Familie: Sollen sie die artfremden Annehmlichkeiten der menschlichen Zivilisation genießen oder lieber ihren ureigenen Instinkten folgen und in ihre natürliche Umgebung zurückkehren? Der klassische Gegensatz wird hier auf eher kuriose und oft schwerfällige Weise abgehandelt und ist letztlich vor allem der Vorwand für eine Dschungel-Variante von „Meine Braut, ihr Vater und ich“. Der strenge Eduardo hat den verweichlichten Schwiegersohn Blu (der Arme muss sich auch noch bei einem immerhin toll animierten Flug-Fußballspiel blamieren) auf dem Kieker und will aus dem „Haustier“ einen echten Urwald-Vogel machen, der ohne Bauchtasche und Navigationsgerät auskommt. Die Naturschutz-Botschaft erscheint in dieser Phantasie-Welt fast zwangsläufig als bloße Kopfgeburt: Wenn die Holzfäller anrücken, könnte der Gegenangriff der Papageien fast eine Szene aus Hitchcocks „Die Vögel“ sein, der aufklärerische Mehrwert (wie ihn etwa „Happy Feet“ hatte) geht in dem Getöse vollends verloren. Hier schießen die Macher über das Ziel hinaus – etwas mehr Feingefühl (insbesondere die fies-brutalen „All You Can Eat“-Gags hinterlassen im Zusammenhang des ganzen Films einen schalen Beigeschmack) hätte dieser aufgebläht-überkandidelten Fortsetzung gut getan.
Fazit: „Rio 2“ hat für Auge und Ohr viel zu bieten, doch neben fast jedem gelungenen Gag und jeder mitreißenden Musiknummer steht eine überflüssige Nebenhandlung und eine ins Leere laufende Anspielung.