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    Barbara
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    Andreas S.
    Andreas S.

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    4,0
    Veröffentlicht am 1. Oktober 2022
    Interessanter aber verstörender Blick auf die Lebensumstände in der DDR zu Beginn der 1980er Jahre. In ruhigen Bildern beleuchtet Regisseur Petzold eine kurze Episode im Leben der Ärztin Barbara Wolff. Durch einem Ausreiseantrag ist sie in das Visier der Stasi geraten. Nach ihrer Strafversetzung aus der Berliner Charite in ein abgelegenes Provinzkrankenhaus an der Ostsee wird sie stets weiter auf eine Art und Weise bespitzelt und schikaniert, wie man es sich als in Westdeutschland Aufgewachsener nicht vorstellen kann. Schrecklich.

    Barbara hat einen Geliebten aus der damaligen BRD, der ihr zur Flucht über die Ostsee nach Dänemark verhelfen will. Für alles ist gesorgt, Geld ist am Start, die Flucht per Schlauchboot organisiert. Aber sie verzichtet am Ende zu Gunsten einer jungen Frau, die das Leben in der DDR zutiefst hasst, immer wieder schikaniert und zur Arbeit auf dem Jugendwerkhof Torgau zwangsverdonnert wird und wirklich völlig am Ende ist. Sie ist zu allem Überdruß schwanger und will ihr Kind nicht in der verhassten DDR zur Welt bringen.

    Aber Gutmenschentum ist nicht Barbaras Hauptgrund, um auf ihr Ticket in die ersehnte Freiheit zu verzichten. Zu verhasst ist auch ihr das Leben und die Einsamkeit in der DDR. Aber plötzlich und unerwartet hat sich die gute Barbara augenscheinlich in ihren Boss verliebt, Andre Reiser, Chef der Kinderchirugie in dem Provinzhospital, in das sie abgeschoben wurde. Die Liebesgeschichte wird zwar nicht raumfordernd thematisiert, entwickelt sich aber nach und nach, äußert sich in flüchtigen Blicken, vorsichtigen Gesten und einem kurzen Gefühlsausbruch, dem Barbara aber zu entkommen versucht.

    So recht weiß ich nicht, was der Film mir am Ende sagen will. Vielleicht sowas Ähnliches wie mit aufkeimenden Gefühlen lässt sich sogar die verranzte DDR aushalten. Vielleicht auch, dass nicht Flucht das richtige Mittel ist, um der als Dämon in Szene gesetzten DDR zu begegnen. Ich weiß es nicht. Die Story wirkt für mich an dieser Stelle doch etwas arg überkonstruiert.

    Aber ansonsten fehlt es dem Film an Nichts um als erschütterndes Zeitdokument zur Kenntnis genommen zu werden.
    Ständige willkürliche Haushaltsdurchsuchungen inklusive erniedrigender Ganzkörper-Inspektionen. Panik pur, die Barbara stets enpfindet, wenn sie nur ein Auto in ihrem Wohnviertel hört. Ständiges, universelles Misstrauen gegen alles und jeden. Die trübselige Grundstimmung, die das Leben in der ländlichen Gegend der DDR ausgemacht haben müssen. Arbeitslager für Jugendliche. Schikane wo auch immer man hinschaut. Das alles ist wirklich schwer zu ertragen. Total frustrierend.

    Nina Hoss als Barbara, Ronald Zehrfeld als Andre Reiser und Rainer Bock als Stasi-Offizier spielen sehr eindringlich.
    Kleine Gesten, vorsichtige, oft gequälte Blicke, aufkeimende zarte Gefühle in all dem Psycho-Elend, das speziell die Leute empfunden haben, die einfach nur ein halbwegs selbstbestimmtes Leben führen wollten aber nicht durften prägen ihr Schauspiel. Dazu kühler Psycho-Terror durch ein unbarmherziges Stasi-Regime, dem jedes Mittel recht war, Leute zu drangsalieren, die drohten, aus der Spur zu laufen. Immer wieder Wahnsinn, zu sehen, was Menschen Menschen im Namen eines Regimes zumuten und antun. Starker, eindringlicher Film, dessen unsichtbare Schläge in die Magengrube noch lange wehtun.
    Kino:
    Anonymer User
    4,0
    Veröffentlicht am 30. September 2022
    Drei Gründe sprechen dafür, dass dieser Film eine Klasse für sich ist. Er trifft punktgenau die Atmosphäre in einem totalitären Staat. Und das bezieht sich nicht nur auf die frühere DDR, sondern kann generell gelten. Dann sehen wir mit Nina Hoss in der Titelrolle eine hervorragende Hauptdarstellerin. Getoppt wird das Ganze durch einen Schluss, der sowohl völlig unerwartet kommt, als auch ein Plädoyer für Opferbereitschaft bis zur Selbstverleugnung ist und damit einen ideell hochstehenden Wert beansprucht und über den eigenen Tellerrand der Vorteilssuche hinausgeht.
    Die Menschen sind extrem wortkarg, sehr zurückhaltend und verschlossen. Sie sind misstrauisch und selbst die Natur scheint feindlich zu sein. (stürmische Winde). Nach einer halben Stunde fällt das erste klärende Wort ‘Ausreiseantrag‘. Es folgen weitere Anspielungen bis der Zuschauer erkennt, es geht hier um das DDR-Thema Nummer 1 ‘Republikflucht‘.
    Abgeleitet von der zentralen Figur Barbara speist sich die Spannung aus mehreren Quellen: Kollege Reiser (Ronald Zehrfeld) zwischen Liebe und Stasimitarbeit?! Später terminliche Überschneidungen: Operationsassistenz oder Fluchtplan?! Dazu immer wieder die schikanösen Hausdurchsuchungen.
    Petzold beweist einmal mehr sein Talent mit der überraschenden Wende am Ende gefolgt vom schweigenden sich Gegenübersitzen von Barbara und Dr. Reiser. Man spürt was sie durchmachen… Zeitlos, spannend, wertvoll.
    esther kind
    esther kind

    6 Follower 17 Kritiken User folgen

    5,0
    Veröffentlicht am 2. April 2012
    mit barbara gelingt es regiesseur christian petzhold seine meisterschaft in sachen "stilles drama" weiter auszubauen und zu verfeinern. natürlich bekommt ein mann des deutschen films, der sich mit der ddr beschäftigt heftig beifall: das hat viel mit der hegemonie westdeutscher geschichtsschreibung zu tun, ihrer ungenauigkeit, ihrer selbstgerechtigkeit. noch die kitischigste am kitschigsten verfilmte seifenoper mit ddr romantik, als sehnsucht deutschen opfertums oder schlicht als retro - erinnerung mit ein bisschen stasi - grusel. kein film mit ostdeutscher thematik war frei von solchen klischees. und so sehnte sich eine seriöse "zeit" redakteurin allen ernstes nach mehr "emotionaler bewegtheit" sprich "mehr kitsch". es scheint, als wolle man die ddr durch die brille der emotionalisierten heuchelei betrachten. "mehr drama, für einen film, der uns kaum bewegen könne". größeren unsinn habe ich in einer zeitung lange nicht gelesen. was mich bewegt entscheide ich schon selber. petzhold verweigert sich jeder dramatisierung. und es ist ein großer befreiungsschlag. das in der ddr die sonne geschienen hat. das dort vögel sangen, das meer rauschte sprich: die ddr mitunter ein wundervoller ort sein konnte - wer hätte das gedacht? nina hoss spielt ihre rolle als schroffe und abweisende person. nur wer genau hinsieht erkennt, wie sehr die geschehnisse um sie herum sie bewegen. die sehnsucht nach einem besseren ort, der besser ist, weil der ort an dem man lebt selbst vor den begrenzungen des körpers keinen halt macht. selbst solche szenen deutet petzhold nur an. andere hätten sich in voyeurismus geradezu gesuhlt. in "barbara" scheint es, als seien die grenzen und begrenzungen der jeweils geltenden moral aufgehoben. die emotionalität ergibt sich aus einer abgründigkeit, auf der die protagonisten ständig wandeln wie auf einem drahtseil. das misstrauen, die blicke, die kurzen öffnungen, das sich ständig zusammenreißen müssen weil die konsequenzen eines nur mal kurz mensch seins furchtbar wären. was ist emotionaler als dies? erst, wenn man ihn gesehen hat begreift man, wie sehr man sich nach einem solchen film sehnte, der ohne vorurteile, frei und reif und mit starken, symbolischen bildern sich dieses kapitels deutscher geschichte annimmt. eines kapitels das zwar dunkel war, nicht aber so dunkel wie es ein großteil der aufarbeitung vermuten lässt, die im taumel zwischen hysterie, verharmlosung und ideologie jedes aufklärerische maß vermissen lässt. "barbara" ist ein meisterwerk - ein film der tief, sehr tief unter die haut geht und der in der erinnerung eine unmittelbare kraft und wucht entfaltet, die man ihm während des anschauens garnicht zutraut.
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