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    Banklady
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Banklady
    Von Lars-Christian Daniels

    Am 29. Juli 1965 zwang die 30-jährige Gisela Werler die Angestellten einer Filiale der Hamburger Volksbank mit vorgehaltener Waffe zur Herausgabe der Geldnoten – und schrieb damit Geschichte: Sie war die erste Bankräuberin Deutschlands. In den folgenden Monaten beging sie mit ihrem späteren Ehemann Hermann Wittorff noch 18 weitere Überfälle und wurde erst nach zweieinhalb Jahren von der Polizei geschnappt. Heute ist die „Banklady“, wie die Medien sie damals tauften, ein wenig in Vergessenheit geraten: Werler gab bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 nur ein einziges Fernsehinterview  und wurde lediglich in kleineren TV-Dokumentationen beachtet. Das ändert sich nun: Der deutsche Filmemacher Christian Alvart („Antikörper“, „Pandorum“) hat das Leinwandpotenzial des Stoffes erkannt und inszeniert mit seinem humorvoll angehauchten Thriller-Drama „Banklady“, das beim Filmfest Hamburg 2013 seine Deutschlandpremiere feierte, kurzweiliges Popcorn-Kino mit hohem Unterhaltungsfaktor. Seine eng an die historischen Fakten angelehnte „Bonnie & Clyde“-Geschichte macht auch dank der hervorragenden Besetzung und des stimmigen 60er-Jahre-Feelings jede Menge Spaß.

    Hamburg, 1965: Gisela Werler (Nadeshda Brennicke) fristet ein langweiliges Dasein in ärmlichen Verhältnissen. Mit ihrem Job in der Altonaer Tapetenfabrik füttert sie auch ihre Eltern Hans (Jürgen Schornagel) und Anneliese (Elisabeth Schwarz) mit durch, bei denen sie noch immer wohnt. Ihr Arbeitskollege Uwe (Andreas Schmidt) führt sie zwar regelmäßig zum Essen aus, hat für ihren Traum vom eigenen Häuschen auf Capri aber nicht viel übrig. Giselas Alltag ändert sich jedoch schlagartig, als Uwe und sein Freund Hermann Wittorff (Charly Hübner), der sich ihr als „Peter“ vorstellt, plötzlich auf der Matte stehen und einen Koffer in ihrem Kleiderschrank deponieren: Es ist die Beute aus einem Banküberfall. Für Gisela, die sich stark zum draufgängerischen Peter hingezogen fühlt, ist dies die einmalige Chance, aus ihrem Spießbürgertum auszubrechen: Sie bittet Peter, ihr beizubringen, wie man eine Bank überfällt. Der ist zunächst skeptisch – doch seine selbstbewusste Verehrerin entpuppt sich schon bald als äußerst talentiert…

    „Banklady“ ist so etwas wie eine deutsche Kreuzung aus „Catch Me If You Can“ und „Public Enemies“: Ist es in Steven Spielbergs amüsantem Verfolgungsspektakel Hochstapler Frank Abagnale Jr. (Leonardo DiCaprio), der den FBI-Agenten Carl Hanratty (Tom Hanks) an der Nase herumführt, kommt hier der ehrgeizige Jungkommissar Fischer (Ken Duken) bei der Jagd nach der „Banklady“ immer den entscheidenden Schritt zu spät und muss sich die tadelnden Worte seines Chefs Kaminsky (köstlich: Heinz Hoenig) anhören. Und während sich in „Public Enemies“ John Dillinger (Johnny Depp) in die Büroräume der FBI-Einheit von Melvin Purvis (Christian Bale) begibt, schleicht sich hier Werler in die Höhle des Löwen und wirft im Polizeipräsidium höchstpersönlich einen Blick auf den aktuellen Stand der Ermittlungen. In der deutschen Kinoproduktion „Banklady“ ist naturgemäß alles eine Nummer kleiner, aber keineswegs weniger unterhaltsam: Christian Alvart, der zuletzt den actiongeladenen Hamburger „Tatort: Willkommen in Hamburg“ drehte, zeigt bei seiner flotten Inszenierung hervorragendes Gespür für die Kragenweite der Geschichte und versucht gar nicht erst, die Überfallserie auf Hamburger Kleinfilialen künstlich auf Hollywood-Format zu trimmen.

    Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Jägern und Gejagten sorgt vor allem in der ersten Filmhälfte für reichlich Situationskomik: Während die Polizei mit dem Täterprofil einer weiblichen Bankräuberin vor einer völlig neuen Herausforderung steht, muss auch die „Banklady“ erst noch lernen, was einen guten Überfall ausmacht – und dass das Wahren der Etikette („Danke. Schönen Tag noch!“) beim Eintüten der Beute durchaus zu vernachlässigen ist. Die Drehbuchautoren Kai Hafemeister („George“) und Christoph Silber („Nordwand“) machen die ungewöhnlich höfliche, später zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilte Straftäterin dank dieser köstlichen, historisch verbürgten Anlaufschwierigkeiten gezielt zur Sympathieträgerin. Das ist moralisch vielleicht etwas fragwürdig, erweist sich für den Unterhaltungswert aber als Volltreffer: Es macht einfach großen Spaß, der unglücklich verliebten Bankräuberin bei ihrem Raubzug durch Hamburg die Daumen zu drücken und ihr dabei zuzusehen, wie sie den Polizeikräften ein ums andere Mal ein Schnippchen schlägt. Dabei überzeugt  Adolf-Grimme-Preis-Trägerin Nadeshda Brennicke („Frauenherzen“) trotz der der eher geringen optischen Ähnlichkeit zu Werler in der Hauptrolle auf ganzer Linie.

    Die stark an Til-Schweiger-Filme wie „Keinohrhasen“ oder „Kokowääh“ erinnernden Sepia-Farbfilter hat Alvarts Film hingegen nicht nötig: Auch ohne die ausgegilbte Farbgebung atmet „Banklady“ dank der detailverliebten Ausstattung und vielen historischen Seitenblicken den Zeitgeist der westdeutschen 60er Jahre und strotzt vor subtilem Humor und Hamburger Lokalkolorit. Im Radio dudelt Connie Francis‘ „Schöner fremder Mann“, und die Hochzeit der niederländischen Prinzessin Beatrix und des deutschen Diplomaten Claus von Amsberg wird erwartungsgemäß zum Straßenfeger. Alvart bindet dieses TV-Ereignis konkret in die Handlung ein und lässt die Angestellten einer Bankfiliale kollektiv auf die Mattscheibe blicken, während die „Banklady“ zur Tür rein spaziert und die Filiale in gewohnter Manier um ihre Geldvorräte erleichtert. Nur eine von vielen gelungenen Sequenzen – da ist es zu verschmerzen, dass das Doppelleben von Hermann Wittorff, der seiner Komplizin seine Familie verschweigt, ein wenig zu kurz kommt und das abschließende Strafverfahren gegen die Räuberbande zum Wohle der Dramaturgie im Schnellverfahren abgehandelt wird.

    Fazit: Die „Banklady“ muss man einfach mögen! Christian Alvart liefert mit seinem stark besetzten, nostalgieschwangeren Thriller-Liebesdrama sympathisches deutsches Popcorn-Kino mit hohem Unterhaltungswert.

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