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    Viel Lärm um nichts
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Viel Lärm um nichts
    Von Christoph Petersen

    Nach der monumentalen „Transformers“-Trilogie wollte Regisseur Michael Bay erst einmal einen „kleineren, intimen Film“ einschieben. Herausgekommen ist mit „Pain & Gain“ allerdings eine pompös bebilderte Amerika-Satire, die mit ihrem 25-Millionen-Dollar-Budget für die meisten Filmemacher noch immer locker als Großprojekt durchgehen würde. Einen ähnlichen Plan hatte auch Joss Whedon, nur ist er bei der Umsetzung viel radikaler zur Sache gegangen: Zwischen den Dreharbeiten zu „The Avengers“ (Budget: 220 Millionen Dollar) und „The Avengers 2: Age of Ultron“ (mindestens 250 Millionen Dollar) hat er die Shakespeare-Komödie „Viel Lärm um nichts“ verfilmt – mit einem überwiegend selbst aufgebrachten Mikro-Budget, gedreht im eigenen Haus und besetzt mit guten Bekannten. Außerdem ist der Film in Schwarz-Weiß und die Schauspieler rezitieren nicht-modernisierte Shakespeare-Originalverse. Das klingt alles voll cool und rebellisch, aber natürlich schlummert da auch die Gefahr, dass hier ein Blockbuster-Regisseur seine ganzen zurückgehaltenen Kunstkino-Ambitionen rücksichtlos über ein sich zu Tode langweilendes Publikum ausschüttet. Aber Pustekuchen: „Viel Lärm um nichts“ ist eine der seltenen romantischen Komödien, bei denen es tatsächlich immer wieder Gelegenheit gibt, vor Lachen laut loszuprusten!

    Gouverneur Leonato (Clark Gregg aus Whedons „The Avengers“) empfängt in seinem Anwesen in Messina den Kriegsheimkehrer Don Pedro (Reed Diamond aus Whedons „Dollhouse“), der über seinen verschlagenen Stiefbruder Don Juan (Sean Maher aus Whedons „Firefly“) gesiegt hat. Im Schlepptau hat Don Pedro seine Gefährten Claudio (Frank Kranz aus Whedons „The Cabin in the Woods“), der sich sofort in Leonatos Tochter Hero (Newcomerin Jillian Morgese) verliebt, und Benedikt (Alexis Denisof aus Whedons „Buffy“), der die Liebe generell verachtet und sich immer wieder zynische Wortgefechte mit Leonatos ähnlich anti-romantisch eingestellter Nichte Beatrice (Amy Acker aus Whedons „Angel“) liefert. Während Claudio mit der Hilfe von Don Pedro um die Gunst der schönen Hero wirbt, schließen Leonato, Claudio und Don Pedro einen Pakt: Innerhalb von einer Woche wollen sie die heiratsunwilligen Benedikt und Beatrice miteinander verkuppeln…

    Im Finale wird halb Manhattan dem Erdboden gleichgemacht und trotzdem sind die stärksten Momente aus „Marvel’s The Avengers“ jene, in denen sich die Superhelden beiläufig kleine Kabbeleien liefern. Und so kommt es, dass Joss Whedon in seiner intimen Shakespeare-Verfilmung letztendlich dieselben Qualitäten ausspielt wie in seinem superteuren Mega-Blockbuster: nämlich sein hervorragendes Timing für verschmitzte Dialog-Duelle und elegante Slapstick-Einlagen! Wie sich Amy Acker und Alexis Denisof gegenseitig Shakespeares erlesene Beleidigungen an den Kopf werfen, erinnert tatsächlich an Screwball-Könige wie Cary Grant und Katharine Hepburn in klassischen Komödien wie „Die Nacht vor der Hochzeit“. Aber der Preis für den größten Szenendieb geht trotzdem an Nathan Fillion (aus Whedons „Serenity“), der als bis zur völligen Unfähigkeit höflicher Chef der Wache eine knappe, aber in jedem Moment urkomische Glanzleistung abliefert. Wer bei der klassisch-verklausulierten Shakespeare-Sprache nicht sofort abschaltet, der hat hier richtig was zu lachen!

    Zwar agieren nicht alle Darsteller auf diesem Niveau, einige verfallen angesichts der ehrwürdigen Shakespeare-Worte ein wenig zu sehr ins theatralische Deklamieren, aber zumindest merkt man jedem einzelnen die unbedingte Leidenschaft für seine Zeilen an. Das ist aber auch kein Wunder: Die Idee zur Verfilmung von „Viel Lärm um nichts“ ist schließlich aus Whedons privater Tradition heraus entstanden, sich regelmäßig Freunde nach Hause einzuladen, um mit ihnen aus dem Stegreif Shakespeare-Stücke durchzuspielen. Und so bleibt der Filmemacher ganz bescheiden und stellt seine elegant-fließende Inszenierung brav in den Dienst der Kunst des Dichters: Ja, der Film ist schwarz-weiß. Ja, obwohl immer wieder von einem Anwesen in Messina die Rede ist, spielen einige Szenen im Puppenhaus-Zimmer von Whedons Tochter. Ja, neben den Anzügen der Protagonisten schmuggelt der Regisseur auch sonst immer wieder kleine Anachronismen hinein (wie eine Promi-Fotografin auf der Faschingsparty). Aber trotz dieser auffälligen Spielereien drängt sich Whedon nie regietheatermäßig in den Vordergrund, der Star bleibt der Text – und der ist eben selbst nach ein paar hundert Jahren nicht nur immer noch saugut, sondern mit seinen mitunter extrem düsteren Erkenntnissen zu Liebe und Ehe auch hochaktuell.

    Fazit: Er hat mit Vampirjägerin Buffy die Nerd-Ikone der 1990er geschaffen, die Avengers mit all ihren verschiedenen Spleens stimmig zusammengeführt und nun auch noch eine verspielt-begeisternde Shakespeare-Verfilmung aus dem Ärmel geschüttelt – gibt es eigentlich etwas, das Joss Whedon nicht hinbekommt?

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