Zwei Menschen lernen sich in einer Bar kennen, verlieben sich Hals über Kopf und müssen nach einer schmerzhaften Phase der Trennung die Wiederaufnahme ihrer Liebesbeziehung abwägen. In seinem Liebesdrama „Jenseits der Mauern" erzählt David Lambert eine altbekannte Geschichte mit homosexuellen Protagonisten, deren Liebe durch unglückliche Umstände auf eine harte Probe gestellt wird. Lambert mischt in seinem Debütfilm Coming-of-Age-Elemente mit einem ebenso verspielten wie schmerzlichen Beziehungsdrama und greift dabei immer wieder auf Klischees zurück. Doch die auf diese Weise errichteten Stereotypen werden von den beiden sympathischen Hauptdarstellern meist ebenso schnell wieder eingerissen, wie sie aufgebaut wurden.
Nach einer durchzechten Nacht landet der betrunkene Paulo (Matila Malliarakis) im Bett des Kellners Ilir (Guillaume Gouix). Doch es soll nicht bei einmal ungezwungenem gemeinsamem Sex bleiben. Schon bald gibt Paulo sein früheres Leben auf, lässt sich von seiner Freundin vor die Tür setzen, um mit all seinen Habseligkeiten vor der Schwelle des verdutzten Ilir zu stehen. Auch wenn dem kellnernden Bassisten das Ganze eigentlich viel zu schnell geht, lässt er sich letztlich doch gern auf eine leidenschaftliche Romanze mit dem anhänglichen jungen Mann ein. Doch genau an dem Tag, an dem die beiden feierlich beschließen ihr Leben miteinander zu verbringen, bricht Ilir zu einer Konzertreise auf, von der er nicht zurückkehrt. Außer sich vor Sorge bekommt Paulo endlich Nachricht: Ilir sitzt im Gefängnis. Wird ihr Liebesversprechen diese harte Probe überstehen?
David Lamberts Debütfilm „Jenseits der Mauern" setzt den neuen Trend im Queer-Cinema fort, den geschilderten Beziehungen einen realistischeren Anstrich zu verleihen und sie in der Alltäglichkeit zu verorten. Wie schon in Andrew Haighs „Weekend" und Ira Sachs „Keep the Lights On" wird auch hier eine homosexuelle Beziehung jenseits reiner Nischen-Themen wie HIV, Coming-Out, gesellschaftlicher Ausgrenzung und Stigmatisierung thematisiert. Vielmehr wird die Homosexualität der beiden Protagonisten unverkrampft dargestellt, ohne dabei auf konservative Kreise einzugehen, die immer noch Probleme mit zwei händchenhaltenden Männern haben mögen. Wie andere auf die verliebten jungen Männer reagieren spielt keine Rolle, der Fokus des Films liegt einzig auf den beiden Protagonisten und ihrem Umgang mit ihrer für sie noch neuen Homosexualität.
Gerade der Anfang der Liebesgeschichte, die einige Parallelen zum bereits erwähnten, preisgekrönten Queer-Drama „Weekend" aufweist, ist besonders gelungen: Leichtfüßig entfaltet sich eine innige romantische Beziehung, bei der die Aufteilung zwischen anlehnungsbedürftiger Jüngling und dominierender Mann zwar etwas zu klar abgesteckt ist, die unterschiedlichen Charaktere von den Darstellern Guillaume Gouix („Who Killed Marilyn") und Matila Malliarakis („Französisch für Anfänger") trotzdem glaubhaft herausgearbeitet werden. Während Gouix den selbstbewussten Kerl mit weichem Kern gibt, verkörpert Malliarakis den scheinbar immer etwas neben sich stehenden Paulo, der noch nach seinem Weg sucht. Gerade die Chemie zwischen den beiden Schauspielern lässt die übertrieben unterschiedliche Charakterzeichnung in den Hintergrund treten und erzeugt große Sympathie für die Liebenden.
In rohen Bildern, geprägt von vielen Nahaufnahmen des Paares zeichnet Lambert die Entwicklungsstadien einer Liebe unter extremen Bedingungen nach: Von der anfänglichen, verspielt-unbekümmerten Verliebtheit über Sehnsucht und Verlustängste bis hin zur Infragestellung der Beziehung. Mit den Unsicherheiten und Problemen rund um die Positionierung in der Beziehung wird dabei locker und humorvoll, aber nicht respektlos umgegangen. Doch gerade in der zweiten Hälfte geht diese Lässigkeit immer wieder verloren. Stattdessen verheddert sich Lambert zusehends in Stereotypen um Drogen und sexuelle Abhängigkeit. Erst ganz zum Schluss, wenn Ilir und Paulo noch einmal jenseits der Gefängnismauern zusammentreffen und die beiden Darsteller ein letztes Mal ihr hervorragendes Zusammenspiel unter Beweis stellen können, erlangt „Jenseits der Mauern" seine anfängliche Kraft zurück.
Fazit: Mit „Jenseits der Mauern" legt Regisseur David Lambert einen ordentlichen Debütfilm vor, der trotz etwas klischeehafter Charakterzeichnungen für seine verliebten Protagonisten und ihre schmerzhafte Liebesgeschichte einzunehmen weiß.