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    The Legend Of Kaspar Hauser
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Legend Of Kaspar Hauser
    Von Michael Meyns

    Würde auf der schmächtigen Brust seiner Hauptfigur nicht groß Kasper Hauser stehen, man würde nicht vermuten, dass es sich beim Film des Italieners Davide Manuli um eine Variationen der bekannten Geschichte handeln würde. Und auch sonst ist der stilistisch und musikalisch sehr ansprechende „The Legend of Kaspar Hauser“ ein großes Rätsel – ein Spiel mit Motiven aus Science-Fiction, Western und Fantasy, mit dem mal wieder ebenso bizarren wie faszinierenden Vincent Gallo als Zentrum und weniger über eine stringente Erzählung funktionierend als mittels einer assoziativen Bildcollage, die – je nach Bereitschaft und gutem Willen des Zuschauers – mehr oder weniger sinnvoll ist.

    Am Strand einer kargen Insel sitzt der Sheriff (Vincent Gallo) und beobachtet, wie ein scheinbar lebloses Wesen angespült wird: Kasper Hauser (Silvia Calderoni). Mit Adidas-Klamotten und Kopfhörern bekleidet, scheint das androgyne Wesen direkt einem Club entsprungen zu sein und bewegt sich dementsprechend auch meist zuckend und tanzend über die Insel. Dort leben neben dem Sheriff noch dessen Bruder der Pusher (ebenfalls Vincent Gallo), der die Gräfin (Claudia Gerini) beschützt. Zu dieser schon bizarren Gruppe gesellt sich noch eine schöne Frau (Elisa Sednaoui), ein Priester (Fabrizio Gifuni) und ein Diener (Marco Lampis), deren Leben Kasper Hauser mit seinem merkwürdigen Verhalten und unerklärlichen Fähigkeiten durcheinander bringt.

    Zu den Klängen des französischen Technomusikers Vitalic steht der ganz in weiß gekleidete Pusher auf einer kargen Ebene, regt die Faust gen Himmel und drei Ufos fliegen über ihn. So seltsam beginnt Davide Manulis „The Legend of Kaspar Hauser“ und so seltsam wird es 95 Minuten bleiben. Szene um Szene reiht Manuli Merkwürdigkeiten aneinander, stets in brillantem, kontrastreichen schwarz-weiß gefilmt, was die karge Schönheit des Drehorts Sardinen besonders gut zur Geltung bringt. Vor jeder Sequenz beschreibt ein Zwischentitel mehr oder wenige präzise, was nun folgen wird: Wenn es da heißt „Auf dem Maultier“ dann sieht man Kaspar auf einem Maultier reiten, wenn der Titel lautet „Der König tanzt“ sieht man Kaspar tanzen.

    Worauf der 46jähirge Manuli, der sich schon als Schauspieler, Poet, Fotograf und Dokumentarfilmer versucht hat, mit seinem enigmatischen Film hinaus will, deutet sich nur manchmal an. Wichtigstes Stilmittel ist die Dopplung und Gegenüberstellung von Figuren und Motiven. Am auffälligsten in der Gestalt Vincent Gallos, der mit dem schwarzgekleideten Sheriff und dem weißgekleideten Pusher, eine Art Dialektik von Gut und Böse darstellt. Zwischen diesen Polen bewegt sich Kaspar Hauser, eine Figur, die man im Wissen um die historische Episode als jungen Mann erwartet, die hier aber von der extrem androgynen Tänzerin Silvia Calderoni verkörpert wird. Mit ihren kurzen Haaren und ihrer schmächtigen, fast jungenhaften Brust, an der allein die auffälligen Brustwarzen auf ihre Weiblichkeit hindeuten, wirkt sie wie ein geschlechtloses Zwitterwesen – oder wie ein Wesen, in dem die traditionelle Geschlechtertrennung aufgehoben ist.

    Versucht man „The Legend of Kaspar Hauser“ aus dieser Perspektive zu verstehen, macht das Ganze, nun ja, Sinn – zumindest mehr oder weniger. Mit seinem androgynen Wesen stellt Kaspar Hauser, der die Menschen mit pulsierenden Technorhythmen auf der Tanzfläche zusammenbringen will, eine Bedrohung der bestehenden Ordnung dar und muss eliminiert werden. Was wiederum recht gut zur Überlegung passt, dass der echte Kaspar Hauser angeblich ein legitimer Erbe des badischen Herzogs war und deswegen ermordet wurde. Was auch immer man am Ende aus Davide Manulis Film mitnimmt, allein wegen seiner radikal eigenen Filmsprache ist „The Legend of Kaspar Hauser“ eine willkommene Abwechslung in der viel zu oft risikolosen Filmlandschaft.

    Fazit: Nicht nur gleich zwei Vincent-Gallo-Darbietungen hat Davide Manulis „The Legend of Kaspar Hauser“ zu bieten, sondern auch eine sich zwischen bizarr und ambitioniert bewegende Variation über den legendären Außenseiter Kaspar Hauser. Und selbst wenn man mit der assoziativen Erzählweise nicht viel anzufangen weiß: Allein Bilder und Musik machen den Film unbedingt sehenswert.

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