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    Painless - Die Wahrheit ist schmerzhaft
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Painless - Die Wahrheit ist schmerzhaft
    Von Lars-Christian Daniels

    In seinem Psychothriller „The Devil's Backbone" und dem meisterhaften Schauermärchen „Pans Labyrinth" arbeitete der mexikanische Filmemacher Guillermo del Toro eines der blutigsten Kapitel der spanischen Geschichte auf: den Bürgerkrieg zwischen der demokratisch gewählten Volksfrontregierung und den rechtsgerichteten Putschisten um General Franco. Auch „Painless – Die Wahrheit ist schmerzhaft" spielt in dieser von Folter und Kriegsverbrechen geprägten Zeit und ist auch thematisch vergleichbar: Regisseur Juan Carlos Medina, der mit der spanisch-französischen Co-Produktion sein Langfilmdebüt feiert, orientiert sich bei seinem brutalen Mystery-Schocker an den Arbeiten seines mexikanischen Kollegen und liefert einen sehenswerten Horrorthriller ab, der allerdings eine deutlich härtere Gangart einschlägt.

    1931, tief in der katalonischen Provinz. Die Kinder eines kleinen Bergdorfes leiden an einer mysteriösen Krankheit: Sie empfinden keinerlei Schmerz. Weil sie dadurch zu einer Gefahr für sich selbst und ihre Umwelt werden, verfrachtet man sie in die Katakomben einer abgelegenen Nervenheilanstalt. Dort überlässt man sie der Obhut des Anstaltsdirektors Dr. Carcedo (Ramon Fontserè), einiger Krankenschwestern und des jüdischen Professors Dr. Holzmann (Derek de Lint), dem die Anstalt Forschungsmöglichkeiten und eine willkommene Zuflucht vor den Nazis bietet. Vor allem der kleine Benigno (Ilias Stothart) hat es dem Flüchtling angetan: Zwar spricht der Knirps kein Wort mit Erwachsenen, erweist sich beim Sezieren im Biologieunterricht aber als äußerst talentiert. 80 Jahre später wird bei dem angesehenen Neurochirurgen David Martel (Àlex Brendemühl), dessen Vater einen Teil seines Lebens in der katalonischen Anstalt verbrachte, Lymphknotenkrebs diagnostiziert. Da Martel seine Eltern seit Jahren nicht gesprochen hat und ihn nur deren Knochenmarkspende retten kann, spürt er der eigenen Familiengeschichte nach – und die führt ihn direkt in die düsteren Katakomben, in denen die Kinder einst ein grausames Schicksal erlitten und der Folterknecht Berkano (Tómas Lemarquis) zur lebenden Legende wurde...

    Zwei Handlungsstränge laufen in „Painless" parallel: Die erste Ebene spielt im Spanien der Gegenwart und erzählt von Martels Nachforschungen. Die zweite schildert die Ereignisse in den lichtarmen Einzelzellen, in denen in den 30er Jahren ein Dutzend Kinder vor sich hin vegetieren. Schnell entpuppt sich die einsame Gefangenschaft der Insassen, die zudem für grausame Experimente missbraucht werden, als die spannendere der beiden Geschichten: Martels Spurensuche, in die sich im Mittelteil des Films einige Längen einschleichen, ist lediglich der erzählerische Rahmen der verdeutlicht, wie tief das Trauma der Franco-Diktatur in der spanischen Gesellschaft noch immer sitzt. Selbst bei den eigenen Eltern stößt der krebskranke Neurochirurg zunächst auf eisiges Schweigen, findet aber schließlich doch den Weg in die katalonischen Berge, wo die Handlungsstränge zusammenlaufen.

    Die Nähe zu Guillermo del Toros „The Devil's Backbone" und dem dreifach oscarprämierten „Pans Labyrinth" ist dabei nicht zu leugnen: Auch in Medinas „Painless" erleiden zu Zeiten des Bürgerkriegs kleine, kranke Kinder fürchterliches, was zudem drastisch dargestellt wird: Blonde Mädchen verbrennen sich bei lebendigem Leib Haut und Haar, das Herausreißen von Fingernägeln stellt für die Kinder eine willkommene Abwechslung im tristen Alltag dar, und selbst die blutigen Gedärme eines Hundes, dem Benigno ohne Betäubung einen kastaniengroßen Tumor herausoperiert, fängt die Kamera schonungslos ein.

    Nur selten driftet „Painless" dabei ins Torture-Porn-Genre ab: Deutlich verstörender wirken Szenen, die nur angedeutet sind und erst in der Phantasie der Zuschauer zum Leben erwachen. Folterszenen enden oft in markerschütternden Schreien aus dem Off, die zerschundenen Körper der Kinder erzählen von Leid, das auch ohne konkrete Bilder verstört. In einer der stärksten Szenen des Films verhüllt ein milchiger Bettvorhang im Krankenhaus ein von Berkano fast zu Tode gefoltertes Opfer, das Martel mit krächzender Stimme auf die richtige Spur bringt. In diesem Moment kann man erahnen, dass der Neurochirurg das Bild des Todgeweihten hinter dem Vorhang bis an sein Lebensende nicht vergessen wird. Dass der Schlussakkord des Horrorthrillers aufgrund der dürftigen visuellen Effekte ein wenig trashig wirkt, lässt sich verschmerzen – „Painless" punktet bis dahin mit seiner knisternd-morbiden Atmosphäre und der ergreifenden Geschichte um das grausame Schicksal der von der Gesellschaft vergessenen Kinder.

    Fazit: Juan Carlos Medina feiert mit dem stimmungsvoll inszenierten Mystery-Schocker „Painless – Die Wahrheit ist schmerzhaft" ein atmosphärisch dichtes Langfilmdebüt, das dem Zuschauer mit verstörenden Bildern der Folter und des Leids an die Nieren geht.

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