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    Break my Fall
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Break my Fall
    Von Asokan Nirmalarajah

    Die Tragik, die „Break My Fall", das Spielfilmdebüt der britischen Autorenfilmerin Kanchi Wichmann, durchdringt, besteht nicht bloß darin, dass keine der beiden Protagonistinnen des Films sich bereit zeigt, ihrer Partnerin den im Titel ersehnten Halt vor dem Fall zu geben. Das zähe, affektierte Beziehungsdrama erzeugt nicht einen Funken Interesse für seine selbstgefälligen Figuren. Der Versuch der englischen Independent-Produktion, die dieses Jahr bereits auf einigen internationalen Frauen- und Queerfilm-Festivals lief, eine ungeschönte, kompromisslose Chronik einer Trennung zu zeigen, die sich über drei Nächte und drei Tage zieht, scheitert an einer prätentiösen Inszenierung, einem einfallslosen Skript und den Schauspielleistungen. Wer hätte gedacht, dass ein Film über zwei junge lesbische Musikerinnen, die sich mit ihren zwei schwulen Freunden ihrer Rast- und Lustlosigkeit, ihrer Melancholie und Frustration hingeben und koksend durch die Nacht ziehen, einen derart langweiligen Film abgeben würde, der über weite Strecken so bemüht wirkt, dass selbst der solide Indie-Rock- und Post-Punk-Soundtrack keinen Spaß macht.

    Liza (Kat Redstone) und Sally (Sophie Anderson) sind beruflich und privat ein Paar. In ihrer gemeinsamen Band Blanket spielt Liza Bass und Sally singt, während sich beide eine heruntergekommene Wohnung im Londener Eastend teilen. Doch das professionelle und persönliche Glück lässt auf sich warten. Liza, der in drei Tagen ihr 25. Geburtstag bevorsteht, ist unglücklich über ihre ziellose Lebenssituation und lässt ihrem Frust in Form von grundloser Eifersucht freien Lauf. Währenddessen zieht sich das Opfer ihrer Gewaltausbrüche, die passiv-aggressive Sally, die sich mit Nachtjobs herumschlagen muss und ihre Tage verschläft, immer mehr zurück. Unzufrieden mit ihrer verkorksten Beziehung wenden sich beide nach außen: Liz sucht die körperliche Nähe zu ihrem schwulen Freund Jamie (Collin Clay Chase), der auch auf der Suche nach der wahren Liebe ist, während Sally die unbeholfenen Annäherungsversuche von Vin (Kai Brandon Ly), einem befreundeten Stricherjungen, zulässt. Bald finden sich alle vier Freunde in der Londoner Schwulenszene wieder, wo sie sich von einer Party zur nächsten treiben lassen und versuchen, mit ungehemmtem Konsum von Kokain, Alkohol und Sex den Problemen davonzulaufen...

    „Break My Fall" ist kalkuliertes Spartenprogramm. Zugeschnitten auf ein junges Publikum, das wie seine Hauptfiguren eine sexuelle Identität abseits der Heteronormativität lebt, versucht sich das Jugenddrama an einer möglichst authentischen Darstellung der romantischen Höhen und der oft gewaltsamen Tiefen einer leidenschaftlichen Liebe inmitten queerer Lebensentwürfe. Doch die über anderthalb Stunden lange Tour durch die Aufnahmestudios, Plattenläden, Cafés, Party- und Lebensräume und sogar über die Dächer von East London gestaltet sich äußerst dröge und trostlos, nur hier und da unterbrochen von dem abwechslungsreichen, stimmungsvollen Soundtrack, auf dem sich Musikerinnen wie Micachu und Scout Niblett sowie Bands wie The Raincoats und Wet Dog die Klinke in die Hand geben. So kommt der Film, ein sehr persönliches Herzensprojekt der Regisseurin Kanchi Wichmann, die ihn ohne jegliche öffentliche Förderung selbst finanzieren musste, zum Ende hin auch nicht über die gänzlich redundante Erkenntnis hinaus, dass auch homosexuelle, vom heterosexuellen Mainstream als ungebundener und freier missverstandene Liebe nicht frei von alltäglichen Beziehungsproblemen ist.

    Inszenatorisch orientiert sich Kanchi Wichmann mit ihren grobkörnigen Handkamera-Bildern und ihrer nervösen Montage, die die Unmittelbarkeit und Intimität der Liebesbeziehung zwischen Liza und Sally vermitteln sollen, deutlich an den kontroversen Werken des schwedischen Ausnahmeregisseurs Lukas Moodysson. Doch ihr fehlt der gnadenlose Röntgenblick, den Moodysson in seinen besten Jugenddramen („Raus aus Amal", „Lilja 4-ever") auf seine sexuell noch unentschiedenen Protagonistinnen wirft. Wo sich der Schwede auf wenige Worte, atmosphärische Bilder und grandiose Schauspieler verlassen kann, hat Wichman weder ihre Darsteller, noch die Grundstimmung des Films im Griff. Ohne jegliches Charisma, geschweige denn Leinwandpräsenz irren hier Kat Redstone und Sophie Anderson durch den Film und überzeugen in ihren anspruchsvollen Rollen wenn überhaupt nur mit körperlicher, aber nie mit der erhofften seelischen Nacktheit. Bloß der souveräne Amateurmime Collin Clay Chase kann seiner Figur ansprechende Seiten abgewinnen. Zurück bleibt die schnell ermüdende, mühsame Nabelschau einer jungen Generation, deren Sinnsuche sich in allgemeiner Bedeutungslosigkeit verliert.

    Fazit: „Break My Fall" ist ein missglückter Queerfilm ohne Crossover-Potential, der seinen Zuschauern, ob nun queer oder nicht, nichts über die homosexuelle Jugend von heute erzählt, was man nicht schon aus ungleich besseren Filmen über frühere Jugendgenerationen gelernt hat.

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