In den vergangenen Jahren gab es einen regelrechten Boom an Kino-Dokumentationen, die es sich zum Ziel gemacht haben, ihr Publikum über die Verstrickung von Ökonomie und Ökologie in der Lebensmittelindustrie aufzuklären. Ambitionierte Projekte wie Erwin Wagenhofers „We Feed The World - Essen global" und Coline Serreaus „Good Food, Bad Food - Anleitung für eine bessere Landwirtschaft" propagierten „grünes" Bewusstsein und lösten die eine oder andere kleine Debatte aus. „Taste The Waste" von Valentin Thurn schlägt nun in eine ähnliche Kerbe, beleuchtet jedoch nur indirekt die Produktionsmechanismen der Industrie selbst. Stattdessen konzentriert er sich auf das, was von ihr übrig bleibt: Müllberge wohin man blickt. Dabei verzichtet Thurn auf einen belehrenden Tonfall und verlässt sich stattdessen auf die Wirkung der filmisch hervorragend umgesetzten Beispiele für unsere Verschwendungskultur. Mit "Taste The Waste" findet der Regisseur ebenso überzeugende wie unterhaltsame Sinnbilder für den Irrsinn der Konsumwelt.
Es ist der Automatismus des Aussortierens, den „Taste The Waste" in den Blick nimmt: Ganze Wagenladungen Obst werden tagtäglich in westlichen Supermärkten aufgrund von optischen Mängeln weggeschmissen. Gleichzeitig verhindern groteske Standardisierungen der EU, dass Lebensmittel in die Regale gelangen und verschlechtern so die Lebensbedingungen in den außereuropäischen Erzeugerländern. Die perfiden Wechselwirkungen von Handel und Politik sind dabei erwartungsgemäß komplex. Umso dankenswerter ist es, dass Regisseur Valentin Thurn nicht versucht, das Vexierspiel zur Gänze transparent zu machen, sondern es bei wirkmächtigen Andeutungen und Beispielen belässt. Dazu gehören zuerst allerlei groteske Folgen des ökonomischen Pragmatismus: So hat die Politik etwa den Krümmungsgrad von Gurken normiert, damit mehr Gemüse in eine Kiste passt und so Transportkosten gespart werden können. In den USA erfassen Computer automatisch die Rot-Intensität von Tomaten und sortieren aus, was den Konsumenten vermeintlich nicht anspricht. Und einzelne schimmelige Orangen aus einer Transportkiste herauszusuchen, lohnt ebenfalls nicht, wie der Zuschauer erfährt – wirtschaftlicher ist es, alle auf einmal wegzuwerfen.
Kontrastreich montiert Thurn Interviewsequenzen von unterkühlt argumentierenden Handelsvertretern und Produzenten wie zum Beispiel afrikanischen Plantagenarbeitern. Auch wenn dabei nicht jeder Schnitt hundertprozentig sitzt, überzeugt „Taste The Waste" vor allem durch seine Kameraarbeit und seinen Abwechslungsreichtum. Thurn war sich offenbar bewusst, dass angesichts eines derart weitläufigen und abstrakten Themas filmische Auflockerung dringend vonnöten ist. Dementsprechend spannt „Taste The Waste" einen transkontinentalen Bogen von den USA über Frankreich und Deutschland bis nach Japan und dürfte mit seiner fast schon clipartigen episodischen Struktur auch kaum das Konzentrationsvermögen seines Publikums überfordern.
Natürlich könnte man dem Film genau diese Unterhaltsamkeit zum Vorwurf machen und argumentieren, der Stil lenke von der Drastik der Fakten ab. Aber das wäre unsinnig. Ganz im Gegenteil dürfte Thurn mit seinem Ansatz deutlich mehr Menschen erreichen als etwa Coline Serreau mit ihrem etwas trockenen, wenn auch gelungen Plädoyer für nachhaltige Landwirtschaft "Good Food, Bad Food". Welches Konzept inhaltlicher Annäherung das passendere ist, soll jeder für sich entscheiden. „Taste The Waste" ist in jedem Fall temporeiches Infotainment im besten Sinne.