Als Disney 2006 das gefeierte Animations-Studio Pixar aufkaufte, war bei vielen Fans die Sorge groß, dass der riesige Konzern das kleine Studio mit seinen profitorientierten Vorgaben erdrücken könnte. Aber während sich Pixar weiter hervorragend schlägt (bei „Cars 2" drücken wir mal ein Auge zu), ist etwas anderes geschehen, das vorher niemand so richtig auf der Rechnung hatte: Durch den Wechsel von Pixar-Mastermind John Lasseter („Toy Story") an die Spitze der Animationsabteilung erlebten die Disney-eigenen Produktionen eine gewaltige Qualitätsexplosion: Mit „Küss den Frosch", „Rapunzel - Neu verföhnt" und „Winnie Puuh" legte das Studio zuletzt drei Volltreffer in Folge hin. Und ein Ende der Erfolgssträhne ist nicht abzusehen: Ausgerechnet mit dem in der Welt der Computerspiele angesiedelten Animations-Abenteuer „Ralph reichts" (einen so außergewöhnlichen Schauplatz würde man schließlich viel eher Pixar als Disney zutrauen) legt Regisseur Rich Moore nun einen der kurzweiligsten und berührendsten Kinofilme des Jahres hin.
Ralph reichts! Seit 30 Jahren ist er nun schon der Bösewicht in dem Konsolenspiel „Fix it Felix, Jr.", in dem er auf dem Dach eines Hochhauses wütet und mit seinen überdimensionierten Fäusten die Fensterscheiben zerspringen lässt. Hat Fix it Felix, Jr. (Stimme: Jack McBrayer) alle Fenster mit Hilfe seines goldenen Hammers repariert, bekommt er eine Medaille, während Ralph (John C. Reilly / Christian Ulmen) von aufgebrachten Mietern vom Dach hinunter in den Schlamm geworfen wird. Aber jetzt soll alles anders werden. Wenn er in seinem eigenen Spiel keine Medaille gewinnen kann, will Randale-Ralph es eben in einem anderen versuchen. Zum Beispiel in dem Ego-Shooter „Hero's Duty", in dem sich der Spieler einen Weg durch einen festungsartigen Turm voller außerirdischer Insekten freiballern muss. Doch das Hin- und Herspringen zwischen den Spielen birgt riesige Gefahren, nicht nur für Ralph selbst, sondern auch für alle anderen Computerspielcharaktere...
Gleich zu Beginn des Films nimmt Ralph an einer an die Treffen der Anonymen Alkoholiker angelehnten Zusammenkunft der Computerspiel-Bösewichte teil. Da heulen sich dann Mario-Nemesis Bowser und Street-Fighter-Klopper Zangief darüber aus, dass sie immer die Bösen sein müssen. Statt der AA-Maxime „One Day at a Time" heißt es bei den Anonymen Bösewichten dann „One Game at a Time". Obwohl man diese Art erfrischend-frechen Humors nicht unbedingt von den Filmen des Mäusestudios gewöhnt ist, überrascht sie trotzdem nicht, wenn man sich die Liste der Beteiligten etwas genauer anschaut: Regisseur Rich Moore hat vor seinem Filmdebüt „Ralph reichts" nämlich etliche Episoden der Matt-Groening-Animationsserien „Die Simpsons" und „Futurama" verantwortet. Mit kreativen Anspielungen auf die Popkultur kennt er sich also bestens aus. War bisher eigentlich immer Konkurrent DreamWorks mit der „Shrek"-Reihe der Klassenprimus, wenn es darum ging, sich möglichst augenzwinkernd quer durch die Welt der Populärkultur zu zitieren, startet nun also auch Disney auf diesem Gebiet von Null auf 100 voll durch.
Dass in „Ralph reichts" ein modernerer Humor vorherrscht, heißt allerdings nicht, dass klassische Disney-Tugenden deshalb vernachlässigt würden. Denn wie hat der legendäre Walt Disney das Erfolgsrezept des Studios einst auf den Punkt gebracht: „Für jedes Lachen muss es eine Träne geben." Und auch auf diesem emotionalen Level schlägt „Ralph reichts" voll ein. In dem quietschbunten Mädchen-Rennspiel „Sugar Rush", in dem auf Prinzessin gestylte Fahrerinnen durch eine Süßigkeitenumgebung rasen, trifft Ralph auf die herrlich vorlaute Venellope von Schweetz (Sarah Silverman / Anna Fischer). Da mit ihren Pixeln irgendetwas nicht stimmt, darf Venellope als gebrandmarkter Programmierfehler nicht mit den anderen an den Rennen teilnehmen. Vor „Ralph reichts" hätte wohl niemand geglaubt, dass einem das Schicksal einer Rennspiel-Figur aus einer überzuckerten Bonbonwelt derart ans Herz gehen könnte.
Es gibt zwar gefakte YouTube-Werbevideos für „Fix it Felix, Jr.", „Hero's Duty" und „Sugar Rush" (die ihr euch in unserem Videobereich anschauen könnt), trotzdem wurden die drei im Mittelpunkt von „Ralph reichts" stehenden Videospiele allesamt speziell für den Film erdacht und sind nicht real. Deshalb muss auch ein Publikum ohne breite Computerspielbildung keine Angst haben, bei der Kernhandlung etwas nicht mitzubekommen. Game-Aficionados kommen trotzdem auf ihre Kosten, denn die Welt von „Ralph reichts" ist bevölkert mit bekannten Figuren aus der Computerspielgeschichte. Von Klassikern wie „Pac-Man" und „Q*bert" über „Mario Bros." und „Sonic der Igel" bis hin zu „Street Fighter" und „Altered Beasts" hat Disney keine Kosten und Mühen gescheut, um die Rechte an den Originalen zu erwerben – hier ist wirklich für jeden Arcade- und Konsolen-Fan etwas dabei!
Fazit: Auf der Zielgeraden sichert sich „Ralph reichts" den Titel des unterhaltsamsten Animationsfilms des Kinojahres – so führt selbst für Computerspielmuffel an diesem turbulenten Ausflug in die Welt der Spielhallen-Arcade-Games kein Weg vorbei.