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    The Liverpool Goalie oder: Wie man die Schulzeit überlebt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Liverpool Goalie oder: Wie man die Schulzeit überlebt
    Von Christian Horn

    Das für Kinder und Jugendliche kuratierte Programm der Berlinale-Sektionen Generation Kplus und Generation 14plus ist traditionell stark. Dass die norwegische Coming-of-Age-Komödie „The Liverpool Goalie" ebendort – nebst vielen weiteren Filmpreisen – den Gläsernen Bären (2011) einheimste, ist daher schon einmal ein besonders gutes Zeichen. Und das Kinodebüt von Arild Andresen hält, was Preis und Teaser versprechen: Mit entlarvender Komik und kreativen Ideen entwirft der Regisseur einen in jeglicher Hinsicht coolen Kinderfilm, der mit einer starken Besetzung aufwartet und immer wieder aufs Neue überrascht. Mit Leichtigkeit gelingt unter diesen Vorzeichen eine fast schon anarchische Verballhornung mütterlicher Sorge, die ins Gluckenhafte ausartet – und vieles mehr.

    Mitten in der Schulzeit, während die komplette Klassenstufe pubertiert, gerät der 13-jährige Jo (Ask von der Hagen) ins Grübeln: Als sensibler Klassenbester, der sich von den Stärkeren alles gefallen lässt, fühlt er sich zunehmend unwohl. Einen Vater hat Jo nicht mehr, seitdem dieser bei einem Sturz in der Dusche verstorben ist, und die Mutter (Andrine Saether) vergisst vor lauter Sorge um ihren Sprössling, dass dieser auch einen eigenen Kopf haben könnte. So verlebt Jo seine Schultage, bis die hübsche Mari (Susanne Boucher) das Klassenzimmer betritt und sofort die Aufmerksamkeit des Burschen gewinnt. Ohne zu ahnen, dass Mari gar nicht auf Fußballsammelkarten steht, will Jo um jeden Preis die auf dem Schulhof begehrte, weil höchst seltene Karte des Torwarts von Liverpool auftreiben...

    Inhaltlich ist der aus Jos Sicht erzählte Reifeprozess nichts anderes als ein zeitloser Mutmacher, der Heranwachsende dazu auffordert, zu sich selbst zu stehen. Jo lässt sich nämlich trotz Schiss vor Schlägen nie wirklich verbiegen, sondern geht seinen eigenen Weg. Zwar wird dieser von Selbstzweifeln gesäumt, bringt den Jungen aber letztlich ans Ziel. Unglaubwürdig oder glattgebügelt verläuft die smarte Heldenreise dabei keineswegs – während Jo in einer Szene noch einen Fortschritt macht, der an das Finale von „Der Club der toten Dichter" (1989) erinnert, verstrickt er sich in der nächsten nur umso tiefer ins Schlamassel, und immer so weiter. Schrittweise findet der Teenager dann aber doch noch seinen Platz in der Hackordnung, wofür Regisseur Andresen ein wunderbares Schlussbild findet – und über all dem schweben die Eltern: Die Mutter mit ihrer naiven Fürsorglichkeit, der verstorbene Vater mit einem hilfreichen Lebensrat: „Wenn Du richtig zupacken kannst, dann gelingt Dir alles!"

    Eine weitere Qualität von „The Liverpool Goalie" ist jedoch die erfrischende Inszenierung. Nicht nur der debütierende Ask von der Hagen als kauziger Protagonist begeistert hier. Auch die übrige Besetzung überzeugt – allen Darstellern scheinen die Figuren wie auf den Leib geschneidert zu sein. Auf dieser Basis funktionieren die vielen unterhaltsam-schrägen Alltagsszenen blendend, wobei es ebenso Andresens cleverer Regie zu verdanken ist, dass der unterhaltsame Kinderfilm über die komplette Spielzeit Funken schlägt. Von lakonischen Tagträumen wie aus „Scrubs", die von Themen wie Drogensucht, Geisteskrankheit oder Schulmassakern handeln, bis zur herrlich gediegenen, aber nie angestaubten Kameraarbeit trumpft „The Liverpool Goalie" auf.

    Fazit: In „The Liverpool Goalie" mutieren Erwachsene zu Kindern – und Jugendliche suchen ihren Platz in der Welt. Ungewohnt frech ruft Arild Andresen sein Zielpublikum zum Anderssein auf: Keine Frage, den Skandinaviern ist erneut ein Kinderfilm mit Anspruch und Herz gelungen.

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