James Francos Tage müssen mehr als 24 Stunden lang sein. Anders ist das Arbeitspensum des Tausendsassas, der neben Filmen u.a. auch Video-Installationen, Ausstellungen, Gedichte und Kurzgeschichte macht, kaum zu erklären – zumal Franco Film auf Film folgen lässt. Vor der Kamera bewegt er sich dabei zwischen großen Hollywood-Produktionen („Die fantastische Welt von Oz“) und kleineren Independent-Filmen („Maladies“) und füllt auch den oft etwas diffusen Raum dazwischen - wie zuletzt in Harmony Korines rauschhaftem Bilderstrom „Spring Breakers“ - mühelos. Dazu kommen auch eigene Regiearbeiten wie nun die Verfilmung von William Faulkners berühmtem Roman „As I Lay Dying“. Überflüssig zu erwähnen, dass Franco nicht nur Regie geführt hat, sondern auch mitspielt und das Drehbuch verfasst hat. Das Ergebnis ist ein sperriger, kraftvoller Film über das Leben einer zerrütteten Farmerfamilie in den Südstaaten.
Als die Farmerfrau Addie Bundren (Beth Grant) stirbt, beschließt ihre Familie sie in ihrer 40 Meilen entfernten Heimatstadt Jefferson im Süden der USA zu beerdigen. Zusammen mit den fünf Kindern Darl (James Franco), Jewel (Logan Marshall-Green), Cash (Jim Parrack), Dewey Dell (Ahna O’Reilly) und Vardaman (Brady Permenter) macht sich Witwer Anse (Tim Blake Nelson) auf den Weg zu ihrer Grabstätte. Nicht nur die unkontrollierbare Kraft der Natur setzt dem Leichenzug dabei auf seiner Reise zu, auch die brodelnden Konflikte innerhalb der Familie drohen bald auszubrechen…
William Faulkners 1930 erschienene literarische Vorlage bietet sich nicht unbedingt für eine Verfilmung an: Aus 15 verschiedenen Perspektiven entfaltet der Autor seine Erzählung, die sich zudem nicht linear entwickelt, sondern nur lose zusammengesetzt ist. Francos Lösungsansatz für dieses dramaturgische Problem ist radikal: Auf Zersplitterung reagiert er mit zusätzlicher Zersplitterung. Besonders zu Beginn setzt er häufig Splitscreens ein, die mit ihrer fragmentarischen Art zwar manchmal verwirren, aber schnell einen eigenen Reiz entwickeln. Vor allem erlauben sie es Franco, die Handlung zu straffen und gleichzeitig die unheilvoll schwelende Stimmung aus der Wahrnehmung der verschiedenen Figuren präzise einzufangen. Fast beiläufig entsteht so das Bild einer von Misstrauen zerfurchten Familie. Während die Mutter in ihrem Zimmer etwa noch mit dem Tod ringt, schneidet Sohn Cash vor dem Fenster bereits Bretter für ihren Sarg zurecht.
Mit dem Aufbruch des Leichenzugs reduziert Franco schließlich auch den Splitscreen-Einsatz. Nun sind die Figuren etabliert, nun kann Franco immer tiefer in den vergifteten Familiensumpf eintauchen und in elegischen Bildern die Geheimnisse der Mitglieder ans Tageslicht fördern. Es ist faszinierend zu beobachten, wie eine Schicht nach der anderen frei gelegt wird: Tochter Dewey Dell versucht während der Reise Kuchen zu verkaufen, um sich davon Medizin für eine Abtreibung leisten zu können. Verglichen mit Vater Anse ist ihr Verhalten jedoch geradezu harmlos: Das selbstgerechte Familienoberhaupt bestiehlt seine Kinder ohne mit der Wimper zu zucken und verrät sie sogar, wenn es dem eigenen Vorteil dient.
Tim Blake Nelson („Lincoln“) spielt diesen fast zahnlosen Tyrannen wunderbar durchtrieben. Mit stets offenem Mund und seinem fast unverständlich vernuschelten Südstaaten-Akzent wirkt er leicht vertrottelt, weiß aber ganz genau, wie er seine Machtposition gnadenlos ausnutzen kann. Ohnehin sind es die bemerkenswerten schauspielerischen Leistungen die den Sog von „As I Lay Dying“ ausmachen: Ob es James Francos Kampf mit dem immer stärker drängenden Wahnsinn oder Ahna O’Reillys („The Help“) stummes Leiden ist, allen Darstellern des Ensembles gelingt es, ihren Figuren ausdrucksstark Kontur zu verleihen und so den Zuschauer auf eine regelrechte Höllenfahrt mit zu nehmen.
Fazit: James Francos Roman-Verfilmung „As I Lay Dying“ wirkt auf den ersten Blick sperrig, belohnt den geduldigen Zuschauer jedoch mit einer fesselnden Reise in das Herz einer von Misstrauen und Selbstsucht zerstörten Familie.