[...]Lose inspiriert von Ereignissen im Leben von Regisseur und Co-Autor Drake Doremus und seiner Ex-Frau, der Österreicherin Desiree Pappenscheller, ist „Like Crazy“ eine im Stil der Nouvelle Vague vorgetragene Eindruckssammlung: Anna und Jacob sind im Grunde nur Ansätze von Charakteren, in schlaglichtartigen 86 Minuten nähert sich Doremus ihnen fast ausschließlich über Emotion und Empfindung, da gibt’s kaum eine Szene, in der er ihnen in einem gefühlsmäßig eher neutral gestalteten expositorischen Rahmen begegnet, der groß Informationen freigäbe, wer diese angehende Journalistin und der Möbeldesigner eigentlich sind. „Like Crazy“ ist fast ununterbrochen so eng am Affektzustand seiner beiden Liebenden dran, dass der Film anfangs geradezu übertrieben wirkt, wie eine Zuckerstange mit Karamel überzogen und schokostreuselverziert, die junge Liebe pulsiert und suppt ihm aus jeder Einstellung, Strandspaziergänge, ausgiebiges unter-der-Bettdecke-Gekuschel, zarte Gesten, sanftes Küssen, Zuneigungsschwüre – so unmittelbar und echt, wie sich das wohl sonst nur anfühlt, wenn einem selbst ähnliches wiederfährt, denn trotz der Süßwarenmetapher von weiter oben ist „Like Crazy“ nicht klebrig, kein Kitschkleister. Das weitenteils von den Darstellern Anton Yelchin und Felicity Jones improvisierte Miteinander von Jacob und Anna erscheint nicht von einer pragmatischen Filmdramaturgie zusammen gezwungen, sondern wie ein für beide besonderer Teil Leben, den eher wie zufällig jemand aufgezeichnet hat, statt das da ein Team mit Kameramann, Gaffer und Regisseur abseits des Bildausschnitts zu vermuten wäre.
Obwohl auch „Like Crazy“ die Liebe ins Verhältnis zu einer relativierenden Maßeinheit (Entfernung) setzt erklärt der Film das stärkste aller Gefühle nicht zum Konzeptbegriff, wie es zwei andere zuletzt hier besprochene Romanzen taten, nämlich „One Day“ (Zeit) und „The Vow“ (Vergessen). Der überbordende Reigen des positiv Emotionalen vom Beginn des Films folgt zwar selbstverständlich einem narrativen Kniff (the higher they fly, the harder they fall), doch verzichtet „Like Crazy“ nicht nur auf eine gelackte Erscheinung und setzt sein Viertelmillionenbudget mit preisgünstiger Handkamera um, sondern erleichtert sich ebenso um die halbe Stunde überflüssigen Subgeplottes, mit dem sich Liebesfilme sonst so herumplagen: alles, was über Jacob und Anna hinaus geht, ihre Eltern, ihre Jobs, ihre Freunde, spielt nur eine ganz unscheinbare Rolle im Erzählwerk des Films, statt aus diesen üblichen Fixpunkten »Mehr Drama, Baby!« zu beschwören. Keine vogeligen best buddies, herrische Väter oder Karrierestolpersteine jenseits echter Problemwelten – „Like Crazy“ schafft’s ohne solch belanglosen Ballast.[...]
[...]Ohne in’s Depridrama umzuschlagen wird „Like Crazy“ bitterer mit der Zeit, wenn das blumige ihrer Worte verwelkt und Jacobs und Annas Gespräche sich um Eifersucht drehen, Misstrauen, all die Dinge, dir irgendwann dazu stoßen. Wie für die beiden, so bleiben auch für den Film die Affären Jacobs mit seiner Mitarbeiterin Samantha und Annas mit ihrem Nachbarn Simon nur nebensächlich, nicht mehr als die Ersatzbefriedigung ihrer Nähebedürfnisse, die der Liebe eine weitere Facette abgewinnen: es gibt immer jemanden, der verletzt zurück bleibt. Was Jacob und Anna am Ende bleibt ist kaum minder plötzlich und unbestimmt als das, wovon sie zu Anfang erfasst wurden und wenn „Like Crazy“ stoppt, dann nicht mit Fanfaren und Glückseeligkeit, sondern einer leisen und schmerzlichen Erkenntnis, dass das Leben die eigenen Wünsche daran manchmal überholt.[...]
komplette Kritik: http://christiansfoyer.de/2012/10/16/review-like-crazy/