Frankreich und Spanien, Dänemark und Finnland, Estland und Ungarn, Kanada und die USA: Mikael Buchs finnisch-französische Schwulenkomödie „Let My People Go!" ist in den vergangenen Monaten schon um die halbe Welt gereist und lief auf zahlreichen internationalen Filmfestivals. Die schmal budgetierte Independent-Variante von „I Love You Phillip Morris" feierte im Sommer 2011 ihre Weltpremiere in Montreal, startete Ende desselben Jahres in den französischen Kinos und findet nun mit knapp einjähriger Verspätung auch den Weg in die deutschen Kinos. Leinwandformat besitzt „Let My People Go!" allerdings nicht unbedingt. Regisseur Buch arbeitet sich wacker an den Themen Homosexualität und Judentum ab, seine Komödie ist dabei jedoch weder besonders originell noch besonders witzig.
Der schwule Briefträger Ruben (Nicolas Maury), ein französischer Jude, lebt gemeinsam mit seinem attraktiven Lover Teemu (Jarkko Niemi) in einem kleinen Häuschen in der finnischen Einöde. Als er eines Tages mit seinem Fahrrad die Post ausfährt, kommt es zu einem verhängnisvollen Missverständnis: Eigentlich im Begriff, ein Einschreiben auszuhändigen, hält Ruben plötzlich 200.000 Euro in der Hand, deren rechtmäßiger Besitzer vor seinen Augen an einem Herzinfarkt stirbt. Weil er das Geld unterschlagen will, kommt es zu einem handfesten Krach mit Teemu, der Ruben schließlich vor die Tür setzt. Der Rausgeworfene nimmt den nächsten Flieger nach Paris und quartiert sich notgedrungen bei seinen chaotischen Eltern Nathan (Jean-François Stévenin) und Rachel (Carmen Maura) ein. Fortan überschlagen sich die Ereignisse: Rachel erleidet bei ihrem wöchentlichen Bauch-Beine-Po-Kurs einen lebensgefährlichen Asthmaanfall, Nathan gesteht seinem Sohn, dass er seit Jahren eine Affäre hat, und Ruben stürzt sich betrunken in ein Techtelmechtel mit Familienanwalt Maurice Goldberg (Jean-Luc Bideau)...
„Lass dein dramatisches Getue! Du bist keine französische Schauspielerin!" wirft Teemu Ruben an den Kopf, als es nach dem unverhofften Geldsegen kräftig knatscht. Und bringt Nicola Maurys („I'm Not a F**king Princess") auffälliges Mienenspiel damit exakt auf den Punkt: Dessen Darbietung als schwuler Mittzwanziger ist durch das tuntige Wesen seiner Hauptfigur nur bedingt zu entschuldigen und stellenweise dermaßen überkandidelt, dass man sich vorkommt wie in einem Stummfilm. Der Eindruck, Regisseur Mikael Buch wolle den Zuschauer auf Teufel komm raus in lange zurückliegende Filmepochen entführen und damit künstliche Nostalgie schüren, verfestigt sich endgültig, als Ruben ein Romy-Schneider-Plakat anhimmelt und sich das Konterfei des „Sissi"-Stars plötzlich in Teemus Gesicht verwandelt. Buch inszeniert „Let My People Go!" – dessen biblischer Filmtitel nebenbei durch im Fernsehen laufende Moses-Verfilmungen erklärt wird – in bonbonfarbenen, mit viel Liebe zum Detail eingerichteten Wohnungen und taucht seine Komödie in auffällige braune Farbtöne, die an künstlich ausgebleichte Instagram-Aufnahmen erinnern.
Buch, der gemeinsam mit Christophe Honoré („Die Liebenden", „Chanson der Liebe") auch das Drehbuch geschrieben hat, hat seine Pointen leider nicht so liebevoll ausgearbeitet wie die Ausstattung. Erschreckend viele Gags verpuffen ohne Lacher, weil Buch entweder auf müden Slapstick setzt oder die Pointe schon verrät bevor sie zündet. Beispielhaft dafür steht eine Szene, in der Ruben Nesthäkchen Gabriel (Jonathan Sadoun) beim Schaukeln den nötigen Schwung gibt: Höher und höher stößt er den fleißigen Nachwuchsrabbi und ist – im Gegensatz zum Zuschauer – überrascht, als der Kleine im hohen Bogen auf der Nase landet. Am unterhaltsamsten gestaltet sich noch Rubens folgenschwere Liaison mit Anwalt Goldberg, der anders als sein deutlich jüngerer Lover durchaus an einer festen Bindung interessiert zu sein scheint und Ruben damit in arge Erklärungsnöte bringt.
Fazit: Allein aus nostalgischen Momenten entsteht noch lange kein guter Film: Mikael Buchs finnisch-französische Schwulenkomödie liefert trotz einiger putziger Figuren kaum gelungene Gags und lässt über die gesamte Spielzeit Esprit und Timing vermissen.