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    Red Lights
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Red Lights
    Von Carsten Baumgardt

    Der Spanier Rodrigo Cortés ist ein selbstbewusster Karriereplaner. Nach seiner hochgelobten schwarzhumorigen Gameshow-Satire „The Contestant - Der Kandidat" von 2007 drehte der Regisseur drei Jahre später mit „Buried - Lebend begraben" ein kleines Horror-Kabinettstückchen, das zu hundert Prozent darauf ausgelegt war, sein Telefon für den Signalempfang aus Richtung Hollywood freizuschalten. Für nur drei Millionen Dollar in Spanien gedreht und mit dem nordamerikanischen Superstar Ryan Reynolds veredelt, sorgte dieser minimalistische Konzept-Film, der anderthalb Stunden nur in einem geschlossenen Sarg spielt, für Furore in Sundance sowie bei einigen kleineren Festivals – und Cortés bewies allen, dass er aus wenig sehr viel machen kann. Die Botschaft ist angekommen, denn sein nächster Auftrag führt den Regisseur tatsächlich in die Traumfabrik, wo Kaliber wie Robert De Niro und Sigourney Weaver auf ihn warten. Einen kleinen Haken hat die saubere Reißbrettplanung dennoch: Der edle paranormale Thriller „Red Lights" ist für Cortés nicht der erhoffte Quantensprung, sondern höchstens der sprichwörtliche Fuß in der Tür des Hollywood-Betriebs.

    Die Wissenschaftlerin Dr. Margaret Matheson (Sigourney Weaver) treibt Scharlatanen den Teufel aus – und lehrt das auch noch an der Universität, wo sie und ihr Assistent, der Physiker Dr. Tom Buckley (Cillian Murphy), vermeintlichen paranormalen Phänomen auf den Grund gehen und diese mit den nüchternen Mitteln der Naturwissenschaft brutal entlarven. Großspurige Schwindler wie das Möchtegern-Medium Pallodino (Leonardo Sbaraglia) werden medienwirksam vorgeführt und hinter Gitter gebracht. Aber als der berühmte blinde Mentalist Simon Silver (Robert De Niro) nach 30 Jahren öffentlicher Zurückhaltung wieder auf der Bildfläche erscheint und sein Comeback ankündigt, gerät Matheson in Aufruhr. Während Buckley und die neue studentische Mitarbeiterin Sally Owen (Elizabeth Olsen) die Fähigkeiten des Superstars bei seiner Tournee untersuchen wollen, weigert sich ihre Chefin strikt, etwas gegen Silver zu unternehmen. Er sei zu gefährlich. Sie ist immer noch verärgert, dass Silver vor Jahrzehnten in einer TV-Sendung Kontakt zu ihrem noch heute im Koma liegenden Sohn (Jan Cornet) aufgenommen und sie zutiefst verängstigt hat. Aber Buckley lässt sich nicht stoppen.

    In „Red Lights" beschäftigt sich Rodrigo Cortés mit der größten und wohl spannendsten aller Menschheitsfragen: Was passiert nach dem Tod? Gibt es etwas außerhalb des rational Greifbaren? Oder sind alle paranormalen Phänomene Humbug? Wir haben es hier mit einem Genrefilm zu tun, daher bietet Cortés keine hochphilosophischen Diskurse, aber er demaskiert das Paranormale über mehr als die Hälfte der Spielzeit mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks und verbreitet bei dieser Dekonstruktion des Übernatürlichen enorme Kurzweil. Dabei wirkt der brillant inszenierte Prolog mit einer Familie, die von einem „Poltergeist" heimgesucht wird, zunächst etwas ruppig, denn die Figuren werden direkt ins Geschehen geworfen. Aber fast beiläufig charakterisiert Cortés seine beiden Protagonisten Dr. Matheson und Dr. Buckley bereits in dieser Sequenz auf den Punkt.

    Mit Cortés‘ versierter und effektvoller Inszenierung sowie den edel-düsteren stahlgrauen Bildern von Kameramann Xavi Gimenez („Der Maschinist") lässt „Red Lights" formal kaum Wünsche offen. Was die Dramaturgie angeht, müssen jedoch einige Einschränkungen gemacht werden. So sorgt das recht frühe Opfern einer Hauptfigur für eine Irritation, denn dieser an sich sehr reizvolle Charakter bleibt dadurch unterbelichtet. Generell versanden die interessanten Ideen und die großen Fragen mehr und mehr im Genreeinerlei. In den ersten zwei Dritteln des Films nimmt Cortés stimmige Anleihen bei Suspense-Altmeister Alfred Hitchcock und beim Verschwörungskino der 70er Jahre, wobei gerade die Polit-Thriller-Elemente den Horror-Hokuspokus ungeahnt seriös unterfüttern. Doch dann wird diese erzählerische Substanz zugunsten eines bombastischen dritten Akts und eines poltrigen Radaufinales samt Schockerwendung verwässert. Am Ende sind dann die Ambitionen fast vergessen und „Red Lights" gerät in äußerst konventionelle, beinahe beliebige Bahnen.

    Für seinen ersten Hollywood-Einsatz hat Rodrigo Cortés eine exquisite Besetzung an der Hand. Schauspiellegende Robert De Niro ist zwar sonst oft nicht besonders wählerisch bei seinen Engagements, aber sein Auftritt in „Red Lights" zählt zu den besseren seiner Genre-Karriere abseits der großen Klassiker. Die Ikone De Niro spielt die Ikone Simon Silver und das mit der passenden Grandezza: Der zweifache Oscarpreisträger legt seinen Über-Seher als Mental-Hamlet mit Gottkomplex an. Besonders Simon Silvers Etablierung und Ausstaffierung als demagogischer Papst des Paranormalen ist extrem elegant inszeniert und wird von De Niro mit diabolischer Genüsslichkeit ausgekostet: So verschmitzt böse war der Superstar seit „Angel Heart" nicht mehr. De Niros Part ist allerdings nur die dritte Hauptfigur nach denen von Sigourney Weaver und Cillian Murphy.

    Murphy ist die passende, aber fast schon zu offensichtliche Besetzung für den ständigen Gemütsschwankungen unterworfenen schrägen Psychiater Buckley, er verleiht ihm mit seinem etwas ziellos wirkenden Auftreten auch keine klaren Konturen. „Alien"-Queen Weaver wiederum, selbst kaum weniger Ikone als De Niro, spult ihre Rolle der Hardcore-Skeptikerin Dr. Matheson souverän ab und gibt einen charismatisch-penetranten Gegenpart zu David Duchovnys Mulder aus „Akte X": „I don't want to believe!" Lediglich die Hintergrundgeschichte um Mathesons seit Jahrzehnten im Koma liegenden Sohn wirkt wie eine dramaturgische Krücke, die den Fortgang der Handlung jedoch mehr behindert als fördert. Ähnliches gilt für die beiden prominenten Sidekicks Elizabeth Olsen (überragend in „Martha Marcy May Marlene") und Toby Jones („Die Tribute von Panem"), die hier weitgehend verschenkt werden. Olsen ist als Assistentin und Geliebte von Cillian Murphy für die Geschichte nicht von Belang und Jones führt als an das Paranormale glaubender Wissenschaftler-Rivale von Sigourney Weaver „Red Lights" nur auf unnütze Umwege.

    Fazit: Mit dem Mystery-Thriller „Red Lights" liefert Rodrigo Cortés neben großer handwerklicher Finesse einige hochinteressante (Denk-)Ansätze, die der Spanier allerdings gegen Ende des Films zugunsten von ebenjenen Genre-Konventionen aufgibt, denen er zuvor zu entkommen versuchte.

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