Meiner Meinung nach ist der Film richtig gut. Nachdem das musikalische Hauptthema des Films nach wenigen Minuten einsetzte, war ich gefangen und blieb es auch. Michael Fassbender spielt unglaublich gut und trägt den Film ganz. Seine Sex-Besessenheit ist alles andere als Spaß und Freude für ihn oder etwas, worüber er gern gegenüber seinen Freunden prahlen würde. Shame ist dabei kaum ein Film über Sex-Sucht an sich, sondern eher über Einsamkeit. Fassbender porträtiert Brandon als sehr charismatischen, zurückhaltenden, etwas wortkargen Mann, sehrwohl gebildet und charmant, aber auch ziemlich ehrlich und nicht so aufdringlich wie seine Freunde. Seinem beruflichen Können, seinem sicheren sozialen Auftreten und dem Erfolg bei den Frauen, die er will, steht seine Traurigkeit gegenüber, die im Film niemals weicht. In Shame geht es auch hauptsächlich darum, dieses Gefühl zu vermitteln und das hat er bei mir erreicht.
Man merkt zwar, dass Steve McQueen noch ein ziemlich unerfahrener Regisseur ist und manche Szenen nicht ganz so metaphorisch und symbolisch wirken, wie sie es vielleicht sollten, aber er hat einen guten Film gemacht, der einige tatsächlich sehr schöne Szenen aufweist. Der Film nimmt sich eben auch mal Zeit, Brandon zu zeigen, wie er ein paar Minuten lang nachts durch New York joggt und spielt dazu ein bisschen klassische Musik. Und der Film beinhaltet mit zwei sehr schönen Szenen in der New Yorker Metro, in der Fassbender allein durch einen stetigen, bedeutungsvollen Blick Spannung erzeugt.
Bewusst lässt der Film auch Handlungsstränge ins Leere laufen und kommt dabei wieder an den Punkt, eher einen Zustand zu beschreiben als eine Handlung zu entwerfen. Diese Nebenhandlungen wirken an manchen Punkten etwas übergestülpt - die Probleme mit seiner Schwester zum Beispiel - aber sie sind szenisch gut umgesetzt und deswegen passend.
Shame ist ein sehr sehenswerter Film über Großstadt-Einsamkeit.