Takashi Miike ist älter geworden. Nur wenige Wochen vor den 67. Filmfestspielen von Venedig 2010, bei denen er mit gleich drei Filmen im Programm seinen großen Auftritt haben sollte, feierte der japanische Regisseur immerhin bereits seinen 50. Geburtstag. Einige eingefleischte Fans beklagen, dass damit auch ein wenig sanfter geworden sei. Sie vermissen das Enfant terrible, das um die Jahrtausendwende mit kontrovers diskutierbarer und kompromissloser Kost wie „Ichi the Killer", „Audition", „Dead or Alive" oder „Visitor Q" wie ein Wirbelsturm durch die Kinos fegte. Ja, Miike hat sich in den vergangenen Jahren mit Werken wie der Videospielverfilmung „Like A Dragon", dem Manga-Prequel „Crows Zero" oder dem leider misslungenen Familienfilm „Yattâman" vermehrt im Mainstreambereich ausgetobt, aber nicht ohne auch dort seinen Stempel aufzudrücken. Und er beweist immer wieder, dass er seinen Sinn für die ganz anderen und verrückten Dinge nicht verloren hat. Ein gutes Beispiel für diese ungebrochene Lust am Schrägen ist „Zebraman 2: Attack on Zebra City", ein Sequel zu Miikes 2004 entstandenem trashigen Superheldenfilm „Zebraman". Der war damals zwar kommerziell ein Flop, besitzt aber inzwischen Kultstatus, so dass Miike sich mit Hauptdarsteller Sho Aikawa und dem gefeierten Drehbuchautor Kankurô Kudô („Go", „Ping Pong") zusammentat, um noch einmal mächtig Spaß zu haben. Das Ergebnis ist eine wilde Sci-Fi-Dystopie, die nicht mehr viel mit dem ersten Film zu tun hat, aber trotzdem über weite Strecken mit verrückten Einfällen unterhält und nur im Mittelteil etwas durchhängt
Im Jahr 2010 hat der einfache Lehrer und gescheiterte Familienvater Shin'ichi Ichikawa (Sho Aikawa) als Superheld „Zebraman" die Welt vor bösen Aliens gerettet. Danach wurde er zum Medienstar, der sich nicht mehr auf die Straße trauen konnte, da Kamerateams und Fans sein Haus rund um die Uhr belagerten. Eines Tages verschwand Ichikawa von der Bildfläche. 15 Jahre später wacht er mit weißen Haaren und ohne Erinnerung an seine Helden-Vergangenheit auf der Straße auf. Kurz darauf entkommt er nur mit größter Not mörderischen Polizisten und kann sich in einem von Ichiba (Naoki Tanaka) geleiteten Flüchtlingscamp verstecken. Er erfährt, dass sich viel verändert hat: Tokio heißt nun Zebra City und wird von dem mächtigen Politiker Aihara (Guadalcanal Taka) und seiner Tochter Yui (Riisa Naka) regiert. Zwei Mal am Tag ist für jeweils fünf Minuten „Zebra Time" und alle Regeln sind außer Kraft gesetzt: In dieser Zeit darf gemordet und vergewaltigt werden, was die Verbrechensrate auf ein Rekordminimum gesenkt hat. Der von diesen Zuständen schockierte Ichikawa kommt langsam zu Kräften und freundet sich mit der stummen Sumire (Mei Nagano) an. Als er mit ihr zusammenstößt, kehren seine Erinnerung sowie die zweite Haut, das Zebraman-Kostüm, zurück, dem aber die schwarzen Streifen fehlen. Gleichzeitig treten die Zebrastreifen bei Yui auf, die unter dem Namen Zebra Queen auch als Popstar Karriere macht. Die Politikertochter wird plötzlich gewalttätig...
Als Miike in einem Interview gefragt wurde, wie es zum Finale von „Dead Or Alive" kam, in dem aus dem Kampf zwischen einem Yakuza und einem Cop plötzlich eine Schlacht wird, an deren Ende die ganze Welt in die Luft fliegt, meinte er lapidar, dass es am Drehtag sehr, sehr heiß war und ihnen wohl die Sonne zu Kopf gestiegen sei. Seitdem hat Miike den auch immer wieder bestätigten Ruf, dass es für die Schlussteile seiner Filme buchstäblich keine Grenzen gibt und hier die wildesten Exzesse möglich sind. Auch mit „Zebraman 2: Attack On Zebra City" untermauert er dieses Image. Das Finale ist erneut das eigentliche Prunkstück und ein Musterbeispiel ständiger Steigerung. Nach oben ist hier in Sachen „wilder, abgefahrener und skurriler" die Skala offen. Da muss sich Zebraman erst mit der Zebra Queen auf dem Boden wälzen, wobei das, was sie dort treiben, unter Verweis auf zusehende Kinder ausgeblendet wird, um danach in bester „Superman"-Manier seinen Feinden entgegen zu fliegen. Und damit geht es erst richtig los...
Wie schon der Vorgänger hat auch dieser in erster Linie unterhaltsame Trash-Spaß einen doppelten Boden. Die gepfefferte Medienkritik wird wiederholt, Angehörige der in Japan sehr populären religiösen Bewegung Happy Science fühlten sich verunglimpft und machten Stimmung gegen den Film und die Zebra Queen in ihrem hautengen Lederdress, die auch vor Mord nicht zurückschreckt. Als eine junge, unschuldig auftretende Konkurrentin ihr den ersten Platz in den Charts abluchst, ist das die reinste Lady-Gaga-Parodie. Und wie so oft enthält sich Miike auch in „Zebraman 2" nicht eines kritischen Kommentars zum Wandel Japans zu einer nur noch leistungs- und erfolgsorientierten Gesellschaft.
Bei allen Unterhaltungsqualitäten hat „Zebraman 2" unter einem für viele Sequels typischen Problem zu leiden: Die besten Ideen gab es schon im Original. Der Schwerpunkt liegt zumindest streckenweise darauf, mit Hilfe eines deutlich erhöhten Budgets vieles einfach zu wiederholen – nur größer und gewaltiger. Diese Strategie sorgt gerade im Mittelteil für kleine Durststrecken, zumal Miike und Autor Kudo auch recht viel Zeit darauf verwenden, die Ereignisse des Vorgängers zu rekapitulieren, um „Zebraman"-Neulinge nicht zu sehr im Dunkeln stehen zu lassen.
Fazit: Im offiziellen Katalog der Filmfestspiele von Venedig fiel der obligatorische Kommentar des Regisseurs zu seinem Film äußerst knapp aus. Takashi Miike gab den potentiellen Zuschauern von „Zebraman 2" nur die Empfehlung, vor Filmbeginn möglichst viel Bier zu konsumieren, um sich so richtig gehen lassen zu können. Außerdem sollten sie ohne Bekannte kommen, damit peinliche Situationen nach dem Motto „Wie kannst Du nur über so etwas lachen?" vermieden werden. Wer diese Tipps beherzigt, der dürfte bei „Zebraman 2" trotz seiner Schwächen tatsächlich einen Heidenspaß haben. Nüchterne Pärchen könnten sich allerdings sehr schnell im falschen Film wähnen.