Charlie Chaplin war ein vielseitiges Extrem. Er schrieb Drehbücher, produzierte Filme, führte Regie und war gleichzeitig Hauptdarsteller in seinen eigenen Filmen. Chaplin, ein machtbesessener Perfektionist, ein Genie, ein vereinsamter Eremit, der sich tagelang von der Außenwelt abschottete, um neben Filmrollen und Scripten an seinen neuesten Filmprojekten zu arbeiten. Ein Künstler vollen Umfangs, ein Frauenheld, vom Publikum geliebt, von der Öffentlichkeit am Ende ins Exil seiner Heimat London getrieben. Mit „Moderne Zeiten“ gelang ihm einer seiner größten Filme, Chaplins emotionale Reaktion auf eine Zeit geprägt von Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger und dem Einzug der großen Maschinen in die kleine Welt des einfachen Arbeiters. „Modern Times“ zeigt die letzte klassische Episode des kleinen Tramps, Chaplins jahrelanger Identifikationsfigur – dem so sympathisch anmutenden Tolpatsch mit Zylinder, Schnurrbart, den viel zu großen Schuhen, breiten Hosen und der unglücklichen Angewohnheit, sich von einem Unglück direkt ins nächste zu begeben.
Nachdem der Fließbandarbeiter Chaplin zunächst zwischen die Zahnräder einer gigantischen Maschine gerät, Minuten später zudem als Versuchskaninchen für eine neu entwickelte Füttermaschine herhalten muss, dreht dieser wortwörtlich durch, wird verrückt und läuft Amok. Kaum aus der Nervenanstalt entlassen, ereilt ihn bereits das nächste Missgeschick. In der Hoffnung, Gutes zu tun, hebt der Tramp eine vom Laster gefallene rote Fahne auf und wird sogleich als vermeintlich kommunistischer Anführer von der Polizei verhaftet und hinter Gitter gesteckt. Wieder in Freiheit, trifft und verliebt er sich in die Waise „Gamine“ (Paulette Goddard), die ihm nach vergeblichen Arbeitsanläufen eine Stelle als singender Kellner in einer Bar verschafft. Obwohl sich der Erfolg nach kleineren Startschwierigkeiten umgehend einstellt, währt das Glück auch hier nicht lange. Es sind mal wieder die alten Probleme mit der Staatsgewalt, die beide in der Folge zur Flucht zwingt.
Als tragendes Element zeigt sich besonders die musikalische Begleitung. Das nahezu perfekt ausbalancierte Zusammenspiel von Chaplins Pantomimen und der eigens komponierten Musik, stützt den Film und transportiert die so einzigartige Komik. Chaplin, der aus Unbehagen gegenüber dem sich vollziehenden technischen Wandel von Stumm- zu Tonfilm komplett auf Dialoge verzichtete - die zunächst zwar eingeplant, später allerdings wieder gestrichen wurden - konnte sich so auf seine eigentliche Stärke, die Pantomime, konzentrieren. Das einzige, was der Zuschauer während der 83 Minuten Laufzeit zu hören bekommt, ist neben Lautsprecheransagen der Firmenbosse, Chaplins herrlich inszenierte, pseudo-italienische Gesangseinlage gegen Ende des Films.
„Modern Times“ hat weniger eine gut strukturierte Handlung, als dass er sich aus einzelnen, grandios inszenierten Szenen aufbaut. Die Begegnung mit Paulette Goddard als Gamine, Chaplins spätere dritte Ehefrau, läuft dabei als unabhängiger Handlungsstrang neben der Geschichte des vom Unglück verfolgten Tramps. Als verbindendes Motiv gestaltet sich hierbei der gemeinsame Kampf ums Überleben. Allerdings verkörpern beide, Gamine wie auch der Tramp, keine Opfer, sondern vielmehr die letzten „geistig Freien“, einer völlig automatisierten Gesellschaft. Symbolisierte die Figur des kleinen Tramps in seinen frühen Jahren die Not des unpriviligierten, einfachen Mannes, sieht er sich nun, rund 20 Jahre später mit einem völlig neuen Dilemma konfrontiert. Armut, Arbeitslosigkeit, Streiks und die im Zusammenhang der industriellen Revolution heranschreitende Automatisierung der Menschen – in den glanzerfüllten 20er Jahren bisher nie dagewesene Themen, katapultierten sich innerhalb kürzester Zeit schlagartig in das Bewusstsein nahezu jeder amerikanischen Familie.
Doch „Moderne Zeiten“ soll in erster Linie weder belehren, noch ein satirischer Film sein. Vor allen Dingen ging es Chaplin um die Kommentierung zeitlicher Umstände, einer Welt im „Strudel der Veränderung“, Chaplin in einem Interview 1931. Auf dem Weg zum fertigen Film durchliefen seine Ideen immer wieder Metamorphosen und Veränderungen. So besitzt „Moderne Zeiten“ im Gegensatz zu Chaplins vorherigen Langfilmen keine einheitliche Struktur und mit knapp einem Jahr, die kürzeste Drehzeit seit „A Woman Of Paris“. Dabei hat der Film seine Relevanz in den knapp 70 Jahren seit seiner Uraufführung 1936 in New York keineswegs verloren und darf zu Recht als einer der Klassiker des Stummfilms bezeichnet werden.