Eins, zwei, Freddy kommt vorbei... ...
Zunächst drängt sich der Eindruck eines dieser billigen B-Horrormovies auf, die im Jahrzehnt der VHS-Kassette Hochkonjunktur hatten: Auf dem verkleinerten Schirm ist kaum mehr als der Unterkörper eines Mannes sichtbar, der sich in einem nasskalten Kellergewölbe einen Lederhandschuh anfertigt - mit scharfen Messern als Fingerprothesen. Dann vergrößert sich die Bildfläche und eine junge Frau läuft vor die Kamera. Schweißgebadet, angsterfüllt; und wie sich schnell herausstellt, wird sie von der Gestalt mit dem Klingenhandschuh durch das Kellerlabyrinth getrieben. Ein in dieser Szenerie völlig deplatziertes Schaf nährt auch unsere Hoffnung auf eine Chimäre. Doch das ohrenbetäubende Schaben der Klingen an den Heizungsrohren kommt immer näher. Dann Schreie, Blut... und plötzlich wacht Tina (Amanda Wyss) in trauter Umgebung in ihrem Bett auf. Ihre Mutter steht an der Zimmertür, fragt, was los sei - sie habe Tina laut aufschreien gehört. Es sei nur wieder dieser Alptraum gewesen, entgegnet Tina. Nur ein Traum! Tatsächlich?
Auch Tinas beste Freundin Nancy (Heather Langenkamp) hat regelmäßig Alpträume von der Kreatur mit dem Klingenhandschuh, die stets einen gammeligen Hut und einen rot-grün gestreiften Pullover trägt. Tina bittet ihren Freund Rod (Nick Corri), Nancy und deren Freund Glen (Johnny Depp als 20-jähriger Jungspund), bei ihr zu übernachten. Die Vier machen untereinander aus, dass sie abwechselnd nachts Wache halten, um die Rückkehr der Traumgestalt zu unterbinden. Als Tina jedoch einschläft und die anderen kurz darauf nach ihr sehen, ist es schon zu spät: Sie wird von einer unsichtbaren Kraft durch den Raum geschleudert und dabei aufgeschlitzt.
Als Tatverdächtigen verhaftet die Polizei Rod, der seine Unschuld wieder und wieder beteuert. Doch niemand will ihm glauben. Selbst als Rod am nächsten Morgen tot in seiner Zelle aufgefunden wird - erdrosselt mit seinem eigenen Bettlaken - glauben seine Bewacher an Selbstmord anstatt an irgend eine über-natürliche Einwirkung. Nancy dagegen ist sich sicher, dass die Gestalt aus ihren Träumen hinter den heimtückischen Morden stecken muss. Sie stellt Recherchen an - und stößt auf die Legende des Kindermörders Freddy Krueger, der viele Jahre zuvor vom Mob der Stadt in einem Anfall von Selbstjustiz gelyncht und in einem Hochofen verbrannt wurde...
Wes Cravens Horrorschocker "A Nightmare on Elm Street", der sieben Fortsetzungen nach sich zog plus ein Reboot (mit Jackie Earle Haley in der Rolle des pädophilen Pizzagesichts), das soeben noch in den deutschen Kinos lief, war die Geburtsstunde des Kultkillers mit dem Schlapphut und dem Ringelpulli, dessen Namen wir alle kennen dürften. Neben Michael Myers ("Halloween"), Jason Voorhees ("Freitag der 13."), Leatherface ("Texas Chainsaw Massacre") und Pinhead ("Hellraiser") ist Freddy Krueger das Aushängeschild eines oftmals belächelten Genres. Einen Topos des Slasherfilms auf augenzwinkernde Weise erweiternd, ist die denkbar schlimmste Regelwidrigkeit vor dem "Schwarzen Mann" hier aber nicht, miteinander zu schlafen, sondern das Schlafen an sich.
Darüber hinaus steht Freddy als "reales Hirngespinst" für die posthume Tilgung nicht vergessener Schuld. Das Träumen fungiert hier als Zwischenstätte; als Schlupfwinkel für das Tote in das Reich der Lebendigen, der Traum selbst als subliminale Mahnung an die Verbrechen der Vor-Generation. Doch wo ein David Lynch Traum und Realität als Einheit begreift, lebt "Nightmare on Elm Street" von der Gegensätzlichkeit bzw. dem Wechselspiel des Wahren und des Fantasierten: Im Schlaf werden die Teenager verwundbar, während Freddy nur durch seine Rückkehr ins Diesseits der Schlafenden vernichtet werden kann. Die Narben, die Freddy den Kids im Schlaf zufügt, behalten sie auch im wachen Zustand. Tötet Freddy einen der Teenager im Schlaf, so stirbt er tatsächlich. Freddy ist wie der aus den germanischen Sagen bekannte Alp, der vielerlei Gestalt annehmen kann. Als Nancy z. B. auf der Schulbank einnickt, fantasiert sie vor dem Klassenzimmer ihre bereits tote Freundin Tina. Als sie ihr durch den Schulkorridor bis in den Heizungskeller folgt, wartet dort Freddy auf sie. Doch Nancy schafft es aufzuwachen - und somit zu entkommen.
Heather Langenkamp spielt diese Nancy als selbstbewusstes, forsches Mädchen an der Schwelle zur Frau, die darüber erwachsen wird, dass sie die Vorfälle in ihrer Durchschnitts-Kleinstadt - in der jeder jeden kennt, keiner aber wirklich etwas über den anderen weiß - hinterfragt, während die "Erwachsenen" die Vergangenheit totschweigen wollen - so auch ihre beiden Eltern; der Vater ein misstrauischer Gesetzeshüter ohne richtiges Verantwortungsbewusstsein, die Mutter eine zwar fürsorgliche Hausfrau, die aber ihr schlechtes Gewissen im Alkohol zu reinigen versucht. Neben Langenkamp und natürlich Robert Englund als Freddy überzeugen vor allem Ronee Blakley und John Saxon als besagte Eltern Nancys, die das Heranreifen ihrer Tochter nicht akzeptieren können - was abermals zeigt, dass sie mit der Vergangenheit bisher nicht abschließen konnten. Für Kinodebütant Johnny Depp hat sich Craven indes den spektakulärsten Filmtod ausgedacht.
Im Jahr 2007 wurde die ungeschnittene Fassung des Films vom Index genommen und nach Neuprüfung mit einer Ab-16-Freigabe durchgewunken. Warum nicht gleich so? Vermutlich ließen sich die Herren von der Prüfstelle wieder mal von ein paar Litern Kunstblut zu viel abschrecken und übersahen dabei den wunderbar schwarzen, selbstironischen Humor, den Wes Craven zwölf Jahre später mit "Scream" in anderem Zusammenhang zur Perfektion trieb. Craven jongliert in "Nightmare on Elm Street" mit Traum und Realität, Normalem und Paranormalem; er arbeitet mit der Panik vor dem Kontrollverlust im Zustand des Schlafs, mit der Verschiebung von Wahrnehmung – etwa wenn die Badewanne, in der Nancy sitzt, plötzlich zum reißenden Ozean wird – und markiert einen Adoleszenzprozess im Angesicht einer unausweichlichen Bedrohung mit der Erkenntnis der Notwendigkeit des Hinwegsetzens über autoritäre Strukturen innerhalb der Familie. Ob der übermotivierte Cliffhanger am Schluss die Wirkung des vorangegangenen Showdowns nicht doch etwas schmälert, sollte jeder selbst entscheiden. Charles Bernsteins im besten Sinne alptraumhafter Score jedenfalls lässt es einem nach wie vor schön mulmig zumute werden und Freddy Krueger ist ohnehin ein Original des Stammbaums der Film-Serienkiller, das auf keiner Halloween-Kostümparty fehlen darf.