Seine Unschuld hat das Wort Flexibilität schon lange verloren – spätestens in den Neunzigerjahren avancierte es zur Hure des kapitalistischen Systems: So würde Greta, die Protagonistin aus „Eine flexible Frau", es wohl formulieren, wenn sie wieder einmal im Suff der Außenwelt ihre innere Leere und Unsicherheit entgegen schreit. In gewisser Weise hätte sie Recht damit, denn wo taucht dieses Wort denn sonst noch auf als in Stellenausschreibungen, Politikerdebatten und Werbeversprechen? Flexibel sein ist definitiv ein Muss, ein ökonomischer und politischer Kampfbegriff. Greta hat Architektur studiert, arbeitet aber derzeit im Callcenter. Nebenbei kämpft sie gegen das System – und scheitert. Regisseurin Tatjana Turanskyj schaut ihr in ihrem Drama auf ungewöhnlich kompromisslose Weise über die Schulter.
Die 40-jährige, selbstbewusste Berlinerin Greta M. (Mira Partecke, „Alle Anderen") wurde bei ihrer Agentur entlassen, weil alle freien Mitarbeiter rausgeschmissen werden. Ohne Job und mit der Angst vor dem sozialen Abstieg im Nacken sucht sie nach neuen Herausforderungen. Auf dem Markt für Architekten sieht es jedoch mau aus: „It's a tough time", stellt ein seinerseits erfolgreicher Architekt aus London fest. So landet Greta erst mal als Telefonistin in einem Callcenter, das der Kundschaft ausgerechnet Fertighäuser feilbietet. Im Jobcenter, beim kleinen Flirt mit der Lehrerin ihres Sohnes aus geschiedener Ehe oder auf der Geburtstagsparty eines alten Bekannten – nirgendwo findet die herumirrende Frau eine neue Perspektive. Stattdessen trinkt sie zu viel, resigniert zunehmend und bleibt schließlich auf der Strecke...
Was an „Eine flexible Frau" sofort auffällt, ist das Theaterhafte der Inszenierung. Vor allem das Schauspiel zeichnet sich durch eine große Nähe zum Theater aus: Die Aussprache und Betonung der Darsteller, das bewusst Gekünstelte der Dialoge sowie das Exemplarische an den Figuren, die wenig individuell, sondern eher Typen sind, legen diesen Eindruck nahe. Die Namensnennung im Abspann liest sich dementsprechend wie das Figurenensemble eines Theaterstücks: Loretta, polnische Ökonomin, jetzt Kosmetikerin – Fabio, ein Tänzer – Kracht, die Sachbearbeiterin – Kluge, ein feministischer Blogger und Straßenführer. Die aufgeräumten Bilder von Jenny Barth harren in meist unbewegten und präzisen Einstellungen der Dinge, die da kommen, und tragen damit nicht nur zur theaterhaften Ästhetik, sondern darüber hinaus auch viel zur Atmosphäre des Films bei.
Was Tatjana Turanskyj mit ihrem Film vor allem angreift, ist „das bestehende System". Sie liefert dabei keine Lösungsansätze, sondern stellt Fragen. Es geht ihr um den gesellschaftlichen Stand der Dinge im Allgemeinen und um die Rolle der modernen Frau im Speziellen. Die Antiheldin Greta scheitert nicht nur an ihrer Arbeitslosigkeit, sondern auch daran, dass sie keine Aufgabe in ihrer Rolle als Frau findet, die sie ausfüllen kann: Die Beziehung zu ihrem Sohn Lukas ist mehr als problembehaftet, was sie auch vom Muttersein abhält. Eine klare Linie lässt Turanskyj dabei jedoch nicht erkennen – vielmehr unternimmt sie einen Rundumschlag, der kein konkretes Ziel kennt, sondern in alle Richtungen austeilt.
„Eine flexible Frau" ist zwar zuvorderst Sozialdrama und als solches bisweilen unangenehm anzuschauen. Ironie und bissigen Humor spart der Film allerdings nicht aus, etwa in einer Szene, in der Greta im Callcenter die Anweisung erhält, bei ihren Telefonaten „wie ein frischer Sommerwind" aufzutreten. Zudem hält das Drehbuch viele griffige Dialogzeilen wie diese parat: „Wer seine Eltern liebt, der bleibt halt Unterschicht." Eine weitere zentrale Szene nicht nur in diesem Zusammenhang spielt in einer mit Kameras überwachten Townhouse-Siedlung für Reiche mitten in Berlin. Greta fotografiert die Häuser, nur um überhaupt etwas zu tun zu haben, als eine schwangere Frau sie mit ihrem Kinderwagen anrempelt und ihr das Fotografieren verbietet (wegen der Kinder und weil man die Hausnummern erkennen könnte). Die Ertappte entgegnet, dass sie dieses ganze „paranoide Gehabe aus der Mitte der Gesellschaft" lächerlich finde und erklärt, dass sie eine Studie durchführe: „Townhäuser in Berlin – Ghettoisierung des Stadtraums oder moderne Wohnstrukturen?" Die Frau mit dem Kinderwagen, Repräsentantin eines neuen Berlins, antwortet sichtlich ungehalten: „Also, 'n Ghetto sinn mir net!"
Das Wort flexibel kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „biegen" oder „beugen". Sich verbiegen will Greta, die oft zu Hören bekommt, dass sie „ihre Einstellung ändern" müsse, aber nicht. Stattdessen greift sie zum Alkohol, ist wütend und frustriert. Etwa in der Mitte des Films zeigen ihre Bekannten ihr bei einer Performance auf einer verdorrten Wiese, wie man sich am besten Fallen lässt ohne sich wehzutun. Am Ende torkelt Greta sturzbesoffen und barfuß noch einmal über die stoppelige Wiese gen Horizont – gleich wird sie wieder stürzen, soviel ist sicher...