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    Deichking
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Deichking
    Von Christoph Petersen

    Am 16. August 2007 jährt sich der Todestag des King of Rock´n Roll zum 30. Mal. Dabei halten sich noch immer hartnäckig die Gerüchte, Elvis sei nur untergetaucht, der Drogentod nur vorgetäuscht. Überall auf der Welt tauchen andauernd Leute auf, die behaupten, dem King erst kürzlich begegnet zu sein. Und zumindest im August 2006 standen die Chancen nicht schlecht, dass eine dieser UFO-ähnlichen Sichtungen auch im Hamburger Hinterland stattfinden würde. Immerhin drehte Hobby-Filmregisseur Michael Söth hier nämliche sein rockige Provinz-Komödie „Deichking“, in der ein frustrierter Bauer zu weißem Anzug und Nietenhose greift, um sich als Elvis-Imitator zu versuchen. Dabei gelang es Söth, für sein mit gerade einmal 60.000 Euro eng budgetiertes Amateur-Projekt eine beachtliche Anzahl an lokalen Kultgrößen für Gastauftritte aufzutun. So entwickelt sich schnell ein ganz spezieller Flachland-Flair, der vielleicht sogar den einen oder anderen Bayer vom spröden norddeutschen Charme überzeugen könnte.

    Fiete Hansen (John Barron) ist eigentlich Maler, aber weil sein Vater Paul (Klaus Büchner) nun mal ein echter Landwirt ist, muss er auch auf dem heimischen Hof immer kräftig mit anpacken. Gefangen zwischen Kühe melken und Pinsel quälen sehnt sich Fiete nach der großen weiten Welt. Und nach Susanne (Julia Köhn), der Tochter des örtlichen Krämers Knut Albrecht (Dieter Bruhn). Nur ist diese leider schon mit Lothar Klotz (Lotto King Karl), einem Ekel von Fleischerei-Erben liiert. Als Susanne ihre heiß geliebte Plattensammlung wegen finanzieller Sorgen notgedrungen verscherbeln muss, sieht Fiete seine Chance gekommen. Er will sie kaufen, damit Susanne immer zu ihm kommen muss, wenn sie ihrem Rock´n Roll lauschen will. Zunächst geht der Plan auf, doch dann stößt Fiete zum ersten Mal in seinem Leben auf die Musik des King. In ihr findet er die Freiheit, nach der er schon so lange gesucht hat. Statt wie üblich Kirchenlieder oder harmlose Schlager trägt Fiete bei seinem nächsten Auftritt in der kleinen Dorfkirche eine etwas rockigere „Hallelujah“-Version vor. Die Gemeinde ist entsetzt, Fietes Vater verlangt gar nach einem Exorzismus. Doch davon lässt sich Fiete nicht aufhalten, am Fuße des örtlichen Leuchtturms probt er weiter seine Elvis-Songs. Memphis ist sein Ziel, und nur ein leerer Benzintank kann ihn aufhalten...

    Michael Söth hatte die Idee vom Bauern als Elvis-Imitator bereits vor mehr als zehn Jahren, als er Mitte der 90er Jahre den Film „Deichelvis“ als reines Spaßprojekt für Freunde und Bekannte abdrehte. Dabei kam der Streifen so gut an, dass er auch in kleineren Programmkinos und bei No-Budget-Festivals schnell eine nicht zu verachtende Anhängerschar fand und gar zu einem kultigen Geheimtipp avancierte. Doch dann, noch bevor der Erfolg so richtig ins Rollen kam, musste Söth seinen Film aus rechtlichen Gründen wieder zurückziehen. Nach einigen weniger erfolgreichen Nachfolgeprojekten, etwa „Krieg achtern Diek“, reifte seit 2003 die Idee, den „Deichelvis“ - nun mit Budget – noch einmal neu zu verfilmen. Anlaufschwierigkeiten waren vorprogrammiert, die ersten potentiellen Sponsoren waren von dem Konzept zwar angetan, rückten aber trotzdem keine Taler raus – im Dezember 2005 hat Söth genau 0.00 Euro zusammen. Dennoch kam die Finanzierung schlussendlich, vor allem dank der Unterstützung der mitwirkenden Promis, doch noch auf die Beine. Und Söth hat diese plötzliche Chance gut genutzt. Ohne dabei allzu sehr über die Stränge zu schlagen, würzt er seine Komödie mit rustikalem Charme und plattdeutschem Humor. Dabei haut er seine originären Charaktere trotz ihrer unterhaltsamen Schwächen niemals in die Pfanne, sondern begegnet ihnen stets mit dem gebührenden Respekt.

    John Barron, der schon in vielen Söth-Filmen mitgespielt hat, darunter auch die Rolle des Fiete Hansen im originalen „Deichelvis“, entpuppt sich schon nach wenigen Augenblicken als echtes norddeutsches Original. Wenn er als Mann in den besten Jahren in seinem alten, viel zu engen Konfirmationsanzug vor seiner Mutti steht und darauf drängt, endlich zum Dorffest gehen zu dürfen, kann man sich schlicht niemand anderen in der Rolle des etwas naiven, aber herzensguten Elvis-Bauern vorstellen. Unterstützung erhält Barron von den zahlreichen Lokalgrößen, die es sich nicht haben nehmen lassen, bei diesem Projekt mitzuwirken. Allen voran Kultsänger und HSV-Stadionsprecher Lotto King Karl, der als Fan des 1995er-Streifens von Anfang an die Neuverfilmung unterstützt hat, und als machohafter Nachwuchsfleischer mutig das Arschloch gibt. Daneben sind auch Fischmarkt-Ikone „Aale Dieter“ Bruhn, „Torfrock“-Frontmann Klaus Büchner (auch: „Klaus und Klaus“) sowie die Hamburger Kult-Hip-Hopper von „Fettes Brot“ mit dabei. Als besonderes Schmankerln gibt es dann noch einen Auftritt von „Die Ärzte“-Gitarrist Bela B. Felsenheimer (Video Kings) als Dorfpastor, der sich an einem Anti-Elvis-Exorzismus versucht.

    Fazit: Charmante, mit jeder Menge augenzwinkerndem Lokalkolorit versehene Low-Budget-Komödie aus dem hohen Norden.

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