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    SS Experiment Love Camp
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    SS Experiment Love Camp
    Von Christoph Petersen

    Anfang der 80er Jahre trat das Video langsam seinen erst mit Einführung der DVD gestoppten Siegeszug an. Zu Beginn dieser Ära setzten die Videotheken vor allem auf billig produzierte Schmuddelstreifen, die man sich lieber zu Hause denn öffentlich im Kino ansah. Dabei protzten die fraglichen Produktionen oft vor allem mit provokativen Postern und Covern, um die Neugier des Kunden zu stimulieren. Der britische Verleih von Sergio Garrones Naziploitation-Trash „SS Experiment Love Camp“ schlug 1982 bei der Auswahl eines passenden Artworks allerdings über die Stränge: Das Poster zeigt eine halbnackte, kopfüber aufgehängte Gefangene mit Hakenkreuzfesseln, im Hintergrund ist die Büste eines Nazi-Kommandanten zu sehen. Diese provokante Bewerbung trat in Großbritannien die „Video = dreckig und böse“-Diskussion los, in deren Zuge neben „SS Experiment Love Camp“ auch noch etwa 80 weitere Filme beschlagnahmt wurden. 2005, 23 Jahre später, wurde der Film der britischen Bewertungsstelle BBFC noch einmal vorgelegt. Diese ließ den Film ohne Schnittauflagen mit folgender Argumentation passieren:

    „The content of the film is in fact very mild and poorly executed. If anything, it was the title of the film and its original packaging that led to difficulties, rather than the content. The idea of the film may, of course, be offensive to some but that is not a good enough reason to cut or reject it. We would only cut or reject a film for adults if the content was illegal or harmful. "SS Experiment Camp" is neither illegal or harmful, just tasteless.”

    Und Recht haben sie, der Film kann in Sachen expliziter Gewaltdarstellung mit heutigen Torture-Porn-Schockern wie zuletzt Saw 3 sicherlich nicht mithalten. Aber über alle Maßen geschmacklos ist er trotzdem.

    In einem Forschungslager der Nazis zur Hochzeit des Dritten Reichs werden kriegsgefangene Frauen solange gefoltert, bis sie der Teilnahme an sexuellen Experimenten zustimmen. Mit Hilfe absurder Versuchsanordnungen wie wärmeregulierten Wassertanks und ausgesuchten SS-Soldaten hoffen die Mediziner, so die perfekte arische Rasse zu züchten. Doch Lagerleiter Colonel von Kleiben (Giorgio Cerioni) hat auch ein persönliches Interesse an den Experimenten. Seitdem ihm eines seiner Opfer beim erzwungenen Oralverkehr die Hoden abgebissen hat, ist er impotent. So hofft er nun, unter den strammen SS-Soldaten einen passenden Spender für eine zuvor noch nie durchgeführte Hodentransplantation zu finden. Als ein solcher potenter Spender erweist sich Seargent Helmut (Mircha Carven), der sich in die Gefangene Mirelle (Paola Corazzi) verliebt hat. Um weiter in dem Lager und bei seiner Geliebten bleiben zu können, stimmt Helmut einem weiteren Experiment zu, ohne jedoch zu wissen, worum es dabei eigentlich genau geht. Als er nach der Operation aus der Narkose erwacht und feststellen muss, dass er seiner Manneskraft beraubt wurde, läuft Helmut Amok…

    Die konsequente, aber unhistorische Gleichsetzung der politischen Diktatur und des sexuellen Sadismus der Nationalsozialisten ist eine Entwicklung des Kinos der 70er Jahre. Bekanntester Vertreter dieser Herangehensweise ist sicherlich Pier Paolo Pasolinis umstrittenes Meisterwerk „Die 120 Tage von Sodom“, aber auch Bernardo Bertoluccis „Der große Irrtum“, Lina Wertmüllers „Sieben Schönheiten“ und Luchino Viscontis „Die Verdammten“ sind in diese Kategorie einzuordnen. Doch die 70er Jahre waren auch die Blütezeit des Exploitation-Kinos, das sich schlicht jedes Genre unter den Nagel riss. Und so brachten nicht nur die amerikanischen Cowboy-Filme den Spaghettiwestern hervor, sondern als direkte Reaktion auf die anspruchsvollen Werke von Pasolini und Co. entstand auch das so genannte Naziploitation-Genre. Die Thematik – Sex, Gewalt, Nazis – ist dieselbe, nur dass sich die Naziploitation-Filme ihrem Sujet nicht wie ihre bedeutenden Vorbilder auf einem politisch-philosophischen Wege annäherten, ihnen ging es vielmehr ausschließlich darum, die Sensationsgeilheit und andere niedere Instinkte ihres potentiellen Publikums anzusprechen.

    Auch wenn „SS Experiment Love Camp“ inszenatorisch über dem insgesamt aber extrem niedrigen Genredurchschnitt liegt, plätschert seine immer wieder von Softcore- und Folterszenen unterbrochene Story doch so unmotiviert vor sich her, dass sich bis zum Schluss keine nachvollziehbare Dramaturgie herauskristallisiert. Lediglich dem Streit der Nazioffiziere, die sich gegenseitig ihre Manneskraft stehlen, ist eine leidlich amüsante satirische Note zuzugestehen. Seinen schlechten Ruf sowie seine filmhistorische Bedeutung zieht der Film also allein aus den eingestreuten Sexploitation- und Folterploitation-Szenen, die nicht alle unbedingt stimmig, sondern zum Teil auch wahllos-willkürlich in das Filmgeschehen integriert sind. Bei den Nude-Scenes ging es den Machern einzig und allein um die Einstreuung frontaler Nacktheit, amüsante oder auch provokante Einfälle sucht man vergebens – obwohl an sich harmlos, wirken diese Szenen im NS-Lager-Kontext dann aber natürlich doch abstoßend. Was die Gore- und Gewaltsequenzen angeht, muss man unterscheiden. Es gibt einige wenige Szenen, etwas die Verbrennung der Frauen bei lebendigem Leibe oder das Einfrieren einer Gefangenen in einem Wassertank, die so deutlich und übertrieben stilisiert sind, dass man ihnen gewisse drastische visuelle Qualitäten sicherlich nicht absprechen kann. Doch die ungekünstelten, unstilisierten Gore-Szenen - wie etwa die Hodentransplantation -, welche schließlich auch klar die Mehrzahl darstellen, sind hingegen wieder einfach nur widerlich und einmal mehr abstoßend.

    Fazit: Da es „SS Experiment Love Camp“ in manchen wenigen Szenen durchaus gelingt, das NS-Regime und seine verquere Ideologie stimmig ad absurdum zu führen oder visuell zu überzeugen, muss man ihn sicherlich nicht gleich zu hundert Prozent verdammen. Aber insgesamt bleibt es natürlich extrem fragwürdig, einen Film, der es im Endeffekt halt doch nur auf die Befriedigung niederster Bedürfnisse anlegt, im Umfeld von Nazifolterungen anzusiedeln. Und sterbenslangweilig ist er noch dazu.

    Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.

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