Mein Konto
    Abgehört - Trau niemals einem Cop
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Abgehört - Trau niemals einem Cop
    Von Florian Koch

    Eine so packende und psychologisch fein ausbalancierte Thrillerreihe wie die Infernal Affairs-Trilogie hat das Kino selten erlebt. Da verwunderte es wenig, dass Martin Scorsese daraus ein aufwendiges Hollywood-Remake strickte. Während sein starbesetzter Departed-Aufguss vier Oscars einheimste, gerieten die Macher des großartigen Originals im Westen fast in Vergessenheit. Während Co-Regisseur Andrew Lau sein Glück nun auf Solopfaden versucht (The Flock), gelingt den „Infernal Affairs“-Co-Autoren Alan Mak und Felix Chong nach einigen schwächeren Arbeiten mit dem Überwachungs-Krimi „Overheard“ nun ein glänzendes Comeback.

    Um dem zunehmenden kriminellen Insiderhandel führender Unternehmen einen Riegel vorzuschieben, gründet die Hongkonger Polizei eine Spezialeinheit, die mit modernsten High-Tech-Mitteln völlig im Geheimen operiert. Neustes Ziel der ausgebufften Ermittlertruppe ist der aalglatte Geschäftsführer der Firma E&T Will Ma (Michael Wong, Connected). Als der hochverschuldete Abhörprofi Gene (Louis Koo, Election) die Chance wittert, aus den abgefangenen Informationen eine Menge Geld an der Börse zu erwirtschaften, überredet er einen Kollegen, den jungen Aktienzocker Max (Daniel Wu, Protégé), bei dem Coup mitzumachen. Doch der erfahrene Cop Johnny (Lau Ching-Wan, Mad Detective) kommt seinen Untergebenen auf die Schliche. Gene und Max bleibt also nichts anderes übrig, als ihren Chef für ihre kriminellen Pläne zu begeistern. Als die drei sich endlich einigen, kommen ihnen Mas Gangsterfreunde und die Polizeiaufsicht in die Quere…

    „Overheard“ zählte 2009 zu den größten Sommerhits an den Hongkonger Kinokassen. Diesen Umstand verdankt der hochspannende Thriller vor allem der Tatsache, dass Starproduzent Derek Yee (Regisseur von One Nite In Mongkok und Stadt der Gewalt) für dieses hochbudgetierte Projekt einige der derzeit angesagtesten Hongkong-Darsteller gewinnen konnte. Zudem entwarfen Alan Mak und Felix Chong für ihre Starriege äußerst komplexe, vielschichtige Rollen, die keiner gängigen Gut/Böse-Einteilung entsprechen.

    Charakterkopf Lau Ching-Wan legt als ausgebrannter Chefermittler nicht nur eine große Integrität an den Tag, sondern offenbart auch die Schattenseiten dieser potenziellen Vertrauensperson. Ohne dass jemand etwas davon weiß, hintergeht er seinen geschätzten Kollegen Kelvin (Alex Fong, „One Nite In Mongkok“) mit dessen Frau Mandy (Zhang Jingchu, John Rabe). Um diese Affäre zu verschleiern, benutzt er ganz ähnliche Tricks wie bei der Arbeit. Louis Koo nahm für seine emotionale Rolle mehrere Kilos zu und zeichnet seine Figur als einen verzweifelten, schwer gezeichneten Mann, der bereit ist alles für seinen schwerkranken Sohn zu tun. Und Max ist in der Interpretation von Daniel Wu ein hochintelligenter junger Ermittler, der an den eigenen ehrgeizigen Ansprüchen und denen seiner Umgebung zu zerbrechen droht.

    All diese Charaktere sind gezeichnet und stehen kurz vor der Explosion. Schwer leiden sie an den dunklen Seiten ihres Privatlebens. Diese Schwächen dürfen sie bei der anstrengenden und monotonen Abhörtätigkeit aber nicht offenbaren. Deshalb liegt es auf der Hand, dass sie alle dem Traum vom großen Geld erliegen und bald aber nicht mehr wissen, was für eine verheerende Ereigniskette sie mit ihren kriminellen Machenschaften eigentlich ausgelöst haben.

    In faszinierend kalten Bildern und mit geschliffenen, stimmigen Dialogen gelingt es Mak und Chong, diese spannenden Verliererporträts in eine schweißtreibende Thriller-Geschichte einzubetten. Neben den überraschenden Wendungen, den gezielt eingesetzten Actionsequenzen und der atmosphärischen Musikuntermalung ist es vor allem die treffende Kritik am Finanzgebaren Hongkonger Unternehmen, die „Overheard“ weit über den Genre-Durchschnitt hebt.

    Fazit: Das Hongkongkino lebt! Mit „Overheard“ beweisen Alan Mak und Felix Chong, dass ihr moderner Thriller-Klassiker „Infernal Affairs“ keine Eintagsfliege war. Überzeugende Darsteller, ein intelligentes Skript und eine elegante Inszenierung erzeugen Krimispannung auf allerhöchstem Niveau. Nur im überbrutalen Showdown entgleitet der Film ein wenig dem realistischen Anspruch der Regisseure.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top