DEN TEUFEL AN DEN MANN GEBRACHT
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Harry Potter war gestern. Daniel Radcliffe muss mittlerweile eine Freude daran haben, einfach Rollen zu verkörpern, die quer durch alle möglichen Genres zumindest eines gemeinsam haben: dass sie nichts mit Rowlings Held verbindet. Auch sein in aller Hinsicht strauchelnder Antiheld im Fantasythriller Horns ist so eine losgelöste Figur, die allein auf weiter Flur sehen muss, wo sie bleibt. Denn nichts und niemand ist dem augenscheinlichen Loser gewogen. Wie denn auch – er wird des Mordes beschuldigt – des Mordes an seiner Geliebten. Anfangs erfährt der Zuseher so gut wie nichts darüber. Einzig wilde Horden an Reportern belagern das Anwesen des Mittdreißigers, der boulevardstudierte Pöbel wünscht den jungen Mann zur Hölle. Manch ein Schundblatt fragt sich gar, ob nicht der Teufel in Menschengestalt unter ihresgleichen weilt. Nichts, was sich gut anfühlt. Kann ja auch sein, dass, je mehr die breite Masse wettert, umso mehr der Beschuldigte zu dem wird, den diese an die Wand malt: eben zum Teufel.
So passiert es ganz plötzlich, und Daniel Radcliffe wachsen eines Morgens geschwungene Hörnchen aus der Stirn. Mit dieser seltsamen anatomischen Begebenheit ändert sich auch das Verhalten der Leute ihm gegenüber. Abgesehen davon, dass das Wunder des Hornwuchses niemanden sonderlich irritiert, scheint der gebrochene Einzelgänger die dunklen Gedanken eines jeden, der ihm begegnet, hervorzukehren. Nicht selten passiert es, und aus der Theorie wird Praxis.
Alexandre Aja, der letztjährig mit dem eher mittelmäßigen Alligatorenschocker Crawl im Kino für reptilophobe Anwandlungen gesorgt hat, nahm sich vor rund 7 Jahren Joe Hills gleichnamigen Roman zur Brust. Ein komplexes Stück Gesellschaftssatire muss das sein, ein ätzender Spiegel vor den Gesichtern bigotter Bürger. Aja fährt allerdings im Slalom, und so sehr sein Film auch szenenweise auf gerader Strecke auf Turbo stellt, bremst er sich selbst wieder ab, um auch jedem Detail der Vorlage gerecht zu werden. Was er besser nicht hätte tun sollen. Klüger wäre es gewesen, sich zumindest an Hills Vorlage zu orientieren, nicht aber den ganzen Stoff zu illustrieren, was vor allem im letzten Drittel etwas für prätentiöse Konfusion sorgt. Das beste Stück ist der Mittelteil des Films, wenn „Teufel“ Radcliffe das Volk gegeneinander aufhetzt und die Verkommenheit so manchen Individuums für alle sichtbar macht. Das ist zynisch und grotesk, das ist mitunter gar absurdes Theater, vor allem im Aspekt der jener Selbstverständlichkeit, in der Radcliffes Hornwuchs hingenommen wird. Der Mensch, der sich in seinem barschen Egoismus so sehr um sich selbst dreht, bekommt den Wandel gar nicht mit. Das erinnert auch wieder an die Serie Lucifer, in der Tom Ellis ebenfalls die Fähigkeit besitzt, die unzensierten Wünsche des Einzelnen herauszukitzeln.
Interessanterweise spielt der christliche Glauben trotz all der Satire eine konterkarierte fromme Rolle, und so sehr das auch gut gemeint ist, so sehr bringt es den erfrischend radikalen Drive aus dem Rhythmus. Am Ende bleibt von diesem auf- und überladenen Mix aus phantastischem Thriller und durchaus humorbefreiter Love-Story ein recht trivialer Showdown mit Blut und Budenzauber. Verschenkt hat Horns sein Potenzial aber auch nicht zur Gänze. Denn die Sache mit der selbsterfüllenden Prophezeiung durfte sich selten zumindest szenenweise zu ungehemmt austoben wie hier. Der gut gesampelte Soundtrack wirkt da löblich unterstützend.
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