Blank City
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Blank City
Von Stefan Huhn

Den Begriff New Hollywood kennt jeder Filmfan. Ab Ende der 60er Jahre modernisierten amerikanische Regisseure wie Arthur Penn („Bonnie und Clyde"), Dennis Hopper („Easy Rider"), Francis Ford Coppola („Der Pate") und Martin Scorsese („Taxi Driver") das klassische Hollywood-Kino mit gesellschaftskritischen und ambivalenten Filmen. Deutlich weniger bekannt ist eine andere filmische Bewegung, das sogenannte No Wave Cinema, dessen Vertreter in den späten 70er- und in den 80er-Jahren ebenfalls künstlerisch-provokativ auf gesellschaftliche Missstände reagierten. Diese New Yorker Underground-Strömung sowie ihre wichtigsten Köpfe porträtiert die aus Frankreich stammende Filmemacherin Céline Danhier in der eindrucksvollen Dokumentation „Blank City".

In den späten 70er-Jahren wurden die Vereinigten Staaten und besonders New York zunehmend von Missständen geplagt: Soziale Ungerechtigkeit, Fremdenfeindlichkeit, Armut und Gewalt waren an der Tagesordnung. Im New Yorker Stadtteil Manhattan wurde die prekäre Lage zum Nährboden für eine künstlerische Radikalisierung. Unter dem Banner der Künstlergruppe Collaborative Projects (Colab) fand sich eine Reihe von jungen Regisseuren, Musikern und bildenden Künstlern zusammen, die gemeinsam ebenso vulgäre wie düstere Super-8-Filme mit provozierenden Themen wie Blasphemie und Nekrophilie realisierten. Das war die Geburtsstunde des No Wave Cinema, aus dem Mitte der 80er Jahre das noch provokantere Cinema of Transgression hervorging. Zu den jungen Künstlern der Gruppe gehörten viele später international bekannt gewordene Regisseure und Schauspieler des Independent-Kinos, darunter Jim Jarmusch („Ghost Dog"), Amos Poe („Alphabet City"), Vincent Gallo („Buffalo `66"), Susan Seidelman („Susan... verzweifelt gesucht"), Lizzy Borden („Working Girls"), John Waters („Hairspray") und Steve Buscemi („Trees Lounge").

In „Blank City" entwirft Céline Danhier das überaus authentisch wirkende Bild des von Rassenunruhen, Armut und Kriminalität geprägten New York der 70er Jahre. Für diesen Eindruck sorgen nicht nur Interviews mit den inzwischen gealterten Künstlern, sondern auch zahlreiche aussagekräftige Ausschnitte aus Undergroundklassikern. Dabei reicht die Bandbreite von komisch-grotesken Filmen wie James Nares „Rome 78" bis hin zu schockierenden Werken wie Nick Zedds „They Eat Scum". Es entsteht das Porträt einer Stadt am Abgrund, in dem die künstlerisch ambitionierten Menschen aus sozial schwachen Stadtteilen ihren Zorn mit den extremen und extrem einfachen Mitteln des Undergrounds konsequent ausdrücken. Danhier zeigt dabei auch, dass das kein auf den Film beschränktes Phänomen war - so hatte etwa die Musik ihre eigene No Wave-Bewegung mit Künstlern wie Lydia Lunch und John Lurie. In diesem größeren Rahmen deuten sich die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen mit künstlerischer Radikalisierung an, so dass „Blank City" bei aller Unterhaltsamkeit auch noch eine lehrreiche Note bekommt.

Fazit: „Blank City" ist ein Zeitdokument über junge Visionäre, die der Filmgeschichte ihren Stempel aufgedrückt haben. Zur Zeit ihrer Entstehung kaum wahrgenommen, genießt die hier porträtierte Bewegung des No Wave Cinema, deren Einfluss Regisseurin Céline Danhier in ihrer Dokumentation spannend nachzeichnet, inzwischen Kultstatus.

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