Mein Konto
    Renaissance
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Renaissance
    Von Daniela Leistikow

    Fast zwanzig Jahre ist Andy Warhol, der bekannteste Vertreter der Pop-Art, nun schon tot. Sieht man sich Christian Volckmans zweiten Film „Renaissance“ an, wird man das Gefühl nicht los, dass Warhol aus dem Jenseits die Strippen zieht: Die Bilder des komplett schwarz-weißen Animationsfilms sind so kontrastreich in Flächen eingeteilt, wie Andy Warhols Pop-Art-Gemälde in farbige Flecken. Nie zuvor hat ein Film Noir seinen Namen so verdient, wie dieser französische Mix aus Science-Fiction und Detektivgeschichte. Leider ist der Inhalt weniger innovativ, als das atemberaubende Bild-Design.

    Paris im Jahr 2054. Der Großkonzern Avalon hat die Stadt mit omnipräsenten Videokameras völlig unter Kontrolle. Als eine der besten Wissenschaftlerinnen des Konzerns, die ebenso geniale wie gutaussehende Ilona Tasuiev, entführt wird, beginnt eine fieberhafte Suche nach der jungen Frau. Vor ihrem Verschwinden war sie einem Geheimnis auf der Spur, dass die Zukunft der Menschheit für immer verändern könnte – zum Guten oder zum Schlechten... Der ehrenhafte aber umstrittene Cop Karas wird mit der Ermittlung im Fall Tasuiev beauftragt. Als er Ilonas schöne Schwester Bislane kennen lernt, wird der Fall immer komplizierter...

    Ein tougher Cop, eine Entführung, ein dunkles Geheimnis und eine Femme Fatale: Klarer könnte die Ausgangslage nicht sein. „Renaissance“ arbeitet sich an Film-Noir-Klischees ab, wie ein Fabrikangestellter am Fließband. Die Story ist nicht originell. Die Spannung hält sich in Grenzen. „Renaissance“ wäre nichts weiter als mittelmäßige Massenware - ohne die beeindruckenden Bilder: Eine Mischung aus Metropolis und Pop-Art, wie man sie bisher noch nicht gesehen hat. Zwar gibt es Ähnlichkeiten zu Sin City, aber im Gegensatz zu den realen Schauspielern wirken die per Motion Capturing erzeugten Bilder von „Renaissance“ um einiges stylisher. Ein hochgelobter Animationsfilm wie Der Polarexpress, der ebenfalls per Motion Capturing in Szene gesetzt wurde, wirkt neben „Renaissance“ uninspiriert und langweilig. Ein zusätzlicher Clou: Die harten Schwarz-Weiß-Kontraste korrespondieren mit der harten Welt, die uns gezeigt wird. Das wär's dann aber auch zum Thema „Form follows function“. Durch die kontrastierte Darstellung der Gesichtszüge fällt es anfangs schwer, die einzelnen Figuren auseinander zu halten. Eine Orientierung an Haar- und Augenfarben ist unmöglich. Die Gesichter der Protagonisten haben oft etwas Maskenhaftes, Unnatürliches. Die Identifikation mit den Figuren wird dem Zuschauer so schwer gemacht, dass der Film, sobald die ersten Längen auftauchen, nur noch visuell Vergnügen bereitet.

    Die Längen lassen auch nicht lange auf sich warten: Etwa in der Mitte des Films kommt das Geschehen ins Stocken und dem Zuschauer bleibt nichts anderes übrig, als sich ausschließlich an der optischen Opulenz zu erfreuen oder gänzlich das Interesse zu verlieren. Auch vorher kommt die Story nur langsam in Gang und die Motive der Figuren bleiben so dunkel, wie die Schatten auf ihren Gesichtern. Dieses Verharren im Ungewissen hat zwar seinen Reiz, da man während des Bildgenusses nicht allzu viel Gehirnkapazität drauf verschwenden muss, der Story zu folgen. Aber da sich der ein oder andere wohl schneller an dem düsteren Design satt sehen wird, als die Macher von „Renaissance“ das vermutlich geplant haben, ist es sehr unklug, so wenig Energie auf eine gute Geschichte zu verwenden.

    Ein Silberstreif am Himmel des schwarz-weißen Paris: Die Sprecher sind wirklich gut! Wenn Daniel Craig (München), der den Cop Karas spricht, auch als James Bond so gut rüberkommt, freuen wir uns gleich noch mehr auf den neuen 007. Ian Holm („Herr der Ringe“-Trilogie, The Day After Tomorrow, Garden State) leiht dem Doktorvater der intelligenten Ilona seine Stimme und changiert gekonnt zwischen Vaterfigur und verrücktem Wissenschaftler. Catherine McCormack (Braveheart) reicht zwar nicht an die unschuldige Verruchtheit einer Rita Hayworth („Gilda“) heran, macht ihr Sache aber trotzdem gut.

    Extravagante Spielzeuge wie Hologramm-Ausweise und Unsichtbarkeits-Uniformen oder virtuelle Gefängnisse bereichern „Renaissance“ um interessante Aspekte. Die Architektur des zukünftigen Paris strahlt futuristische Eleganz aus. All der schöne Schein ist aber nur im Kino ein wirklicher Genuss. Auf einem normalen Bildschirm mit durchschnittlicher Auflösung kommt man ums Augen zusammenkneifen nicht herum. Wie es von einem Film Noir zu erwarten ist, wirbelt die Schlusswendung bisherige Annahmen ziemlich durcheinander. Zum Zeitpunkt der Auflösung ist man allerdings schon so hypnotisiert von den fantastischen Bildern, dass man die Anspielungen auf Der dritte Mann nur am Rande wahrnimmt.

    Fazit: Hätten die Macher sich die Zeit genommen, nicht nur atemberaubendes Design, sondern auch atemberaubende Story zu liefern, hätte dieser Film ein ganz großer werden können. Optisch originell, aber weit entfernt von erzählerischer Originalität, ist „Renaissance“, das Centerpiece auf dem „Fantasy Filmfest 2006“, ein visuelles Wunderwerk, das leider unter seinen Möglichkeiten bleibt.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top