Mit knapp 242 Millionen Dollar Einspielergebnis in den USA darf sich Jan de Bonts Katastrophen-Actioner „Twister“ zu den erfolgreichsten Blockbuster-Produktionen überhaupt zählen. Die Kritiker nahmen den Film 1996 verhalten auf, für die Effekte gab’s eine Oscarnominierung. „Twister“ ist gewiss keine ausgereifte, meisterlich erzählte Geschichte, aber eine vergnügliche, bewusst effekthascherische Achterbahnfahrt fürs Auge.
Bill Harding (Bill Paxton, Ein einfacher Plan, Apollo 13, Titanic) reist mit seiner neuen Verlobten Melissa (Jami Gertz, „e.r.“, „Ally McBeal“) in seine Heimat Oklahoma, um die Scheidungspapiere von seiner Noch-Ehefrau Jo (Helen Hunt, Besser geht´s nicht, Bobby) unterzeichnen zu lassen. Beide waren einst so genannte Tornado-Jäger, die den Wirbelstürmen in Amerikas mittlerem Westen folgten, um sie zur Einsetzung eines verbesserten Frühwarnsystems zu erforschen. Als Bill auf seine Frau und ehemalige Crew trifft, geraten sie mitten in eine außergewöhnliche Tornado-Serie. Sehr zum Unbehagen seiner zukünftigen Gattin Melissa wird Bill für einen Tag wieder zurück in sein altes Leben gerissen.
In welche Richtung die weitere Geschichte geht, dürfte auch ein Hollywood-Unkundiger prophezeien können. Bill und Jo kommen sich näher, und die Städterin Melissa erlebt zwischen all den Wirbelstürmen den Kulturschock ihres Lebens. Ein Tornado und eine halbwegs durchdachte Geschichte hätten den Film durchaus schon füllen können. Doch die Drehbuchautoren, Bestsellerautor Michael Crichton (Jurassic Park, Congo) und Anne-Marie Martin, hetzen gleich ein halbes Dutzend Tornados von Ost nach West durch die weitläufigen Felder des Landes. Mittendrin entwickelt sich vorhersehbar die Annäherung zwischen Bill und Jo und nervt die besser ausgerüstete aber unfähige Meteorologen-Konkurrenz unter Leitung des selbstverliebten Dr. Jonas (Cary Elwes, „Die Braut des Prinzen“, „Glory“). Jos tollkühne Tornadojäger-Crew erweist sich als Sammelsurium extravaganter Gestalten und beschert die obligatorischen Lacher. Allen voran Philip Seymour Hoffman (Capote, Owning Mahowny) als der ausgelassener Freiluft-Nerd Dustin Davis hält den Spaßpegel konstant über dem Durchschnitt.
Das Tempo ist atemlos. Der Zuschauer bekommt gar nicht die Chance, Logiklöcher zu zählen und sich zu fragen, warum die Tornados ihre Zerstörungswut so an die Bedürfnisse der Helden anpassen. Auch Jahre nach der Premiere können sich die im wahrsten Sinne des Wortes mitreißenden Effekte sehen lassen. In „Twister“ ist immer etwas los, Langeweile kommt nicht auf. Da fliegen Kühe, Tankwagen, Häuser oder Boote im Minutentakt durch die Luft. Am Ende kochen einige wenige Emotionen hoch, gewitzelt wird weiter und die Effekte steuern auf ihren obligatorischen Höhepunkt zu: den ultimativen Super-Tornado. Wo sich die alten Vorzeige-Katastrophen-Actioner wie Flammendes Inferno oder Poseidon Inferno einen Spaß daraus machten, möglichst viele Stars und Sympathieträger ins Gras beißen zu lassen, muss in „Twister“ kein einziger der liebgewonnenen Klischee-Helden irgendwann mal die Wirbelstürme von unten betrachten.
Edel-Trash im Hochglanzformat mit schönen Effekten, guten Sprüchen und ein bisschen wissenschaftliche Science Fiction - also genau das, was von einem Film nach einem Drehbuch von Michael Crichton erwartet werden kann (bei seinen Büchern ist das Verhältnis genau umgekehrt). Paul Verhoevens ehemaliger Kameramann Jan de Bont (Speed, Lara Croft Tomb Raider 2 - Die Wiege des Lebens) gibt sich als Actionregisseur des Weiteren keine Blöße, während der von der Produzentencrew um Steven Spielberg ausgeliehene Spielberg-Stamm-Cutter Michael Kahn (Der Soldat James Ryan, Krieg der Welten) das Tempo schön hochhält. Für die gelungene Kameraführung zeichnet Jack N. Green (Erbarmungslos, Serenity) verantwortlich.
„Twister“ ist ein großer, effektbetonter Action-Abenteuer-Spaß, der sich zu keiner Zeit wirklich ernst nimmt und deshalb auch folgende Alterseinstufung in den USA bekam: Rated PG-13 for intense depiction of very bad weather. Diese intensive Darstellung jenes sehr schlechten Wetters fällt erstaunlich vergnüglich aus und die hanebüchene Story wird nur jenen nachhaltig Kopfschmerzen bereiten, denen konsequent anspruchslose Popcorn-Unterhaltung aus Prinzip suspekt sind.