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    Kill Your Darlings - Junge Wilde
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Kill Your Darlings - Junge Wilde
    Von Björn Becher

    Ginsberg. Kerouac. Burroughs. Carr. Ein Name passt offensichtlich nicht in diese Liste. Denn während Allen Ginsberg mit „Howl“, Jack Kerouac mit „On The Road“ und William S. Burroughs mit „Naked Lunch“ in den 50er Jahren einige der zu ihrer Entstehungszeit umstrittensten und inzwischen längst anerkannten Klassiker der modernen Literatur schrieben, dabei eine neue Jugendkultur entscheidend prägten und als wichtigste Vertreter der „Beat Generation“ in die Geschichte eingingen, ist Lucien Carr weitgehend in Vergessenheit geraten. Dabei war er es der die anderen Anfang der 40er zusammenbrachte – bis es zu einem Todesfall kam, in dessen Folge sich die Wege der vier Freunde trennten. Burroughs und Kerouac verarbeiteten das Geschehen bereits 1945 in ihrem gemeinsamen Roman „Und die Nilpferde kochten in ihren Becken“, der allerdings erst 2008 veröffentlicht wurde. Während sie die Tat aus der Perspektive ihrer fiktiven Alter Egos Will Dennison und Mike Ryko schilderten, rückt Regisseur John Krokidas in seiner filmischen Aufarbeitung des mysteriösen Falls nun die beiden anderen Mitglieder des Beatnik-Quartetts in den Mittelpunkt. „Harry Potter“ Daniel Radcliffe und vor allem Jungstar Dane DeHaan überzeugen dabei als Allen Ginsberg und Lucien Carr in dem nicht immer ganz runden, insgesamt etwas zu konventionellen, aber trotzdem ungemein interessanten Biopic-Thriller-Drama „Kill Your Darlings - Junge Wilde“.

    Im Jahr 1944 zieht der junge Allen Ginsberg (Daniel Radcliffe) schweren Herzens bei seinem Vater (David Cross) und seiner psychisch labilen Mutter (Jennifer Jason Leigh) aus und geht an die New Yorker Columbia Universität, um Literatur zu studieren. Dort ist er sofort von dem Rebellen Lucien Carr (Dane DeHaan) fasziniert, der gegen die klassischen Autoren hetzt und junge wilde Schreiber preist. Die beiden jungen Männer freunden sich an, Carr führt Ginsberg in den Literatur- und Diskussionszirkel des abgehalfterten Ex-Professors David Kammerer (Michael C. Hall) ein und stellt ihm mit dem Kommilitonen William S. Burroughs (Ben Foster) und dem Seemann Jack Kerouac (Jack Huston) gleichgesinnte Nachwuchsschreiber vor. Die vier jungen und spontanen Rebellen wollen gegen das Establishment kämpfen und betrachten das Chaos dabei als ihre wichtigste und machtvollste Waffe. Doch bald ziehen dunkle Wolken auf: Kammerer, der als Gegenleistung für sexuelle Gefälligkeiten alle Studienarbeiten für Lucien schreibt, ist besessen von seinem jungen Protegé und beäugt dessen neue Freundschaft zu Allen mit Misstrauen. Während Lucien zunehmend auf Distanz zu dem Älteren geht, wird der immer fanatischer - bis es zu einer schrecklichen Bluttat kommt, die alles verändert.

    Mit den finalen Momenten der Bluttat und Ginsbergs Besuch bei dem deswegen in Untersuchungshaft sitzenden Lucien Carr fängt „Kill Your Darlings“ an. Ausgehend von diesem Punkt erzählen Debütregisseur John Krokidas und sein Co-Autor Austin Bunn in einer großen Rückblende die Vorgeschichte des Verbrechens. Sie nehmen dabei die Perspektive Ginsbergs ein, der als recht unbedarfter Studienanfänger der Faszination für seine gegen den eingefahrenen, knöchernen Literaturbetrieb rebellierenden Freunde erliegt. Er fungiert als Identifikationsfigur für den Zuschauer, der gewissermaßen mit ihm in die Welt der drogen- und alkoholgeschwängerten Diskussionen eintauchen kann. Im späteren Fortlauf der Handlung wird Ginsbergs Perspektive dann allerdings gelegentlich aufgegeben und Lucien Carr avanciert zur zentralen Figur. Wichtiger als die formale Einheitlichkeit ist für John Krokidas dabei das Ziel, uns auch den eher unbekannten jungen Mann nahezubringen, der es eben nicht als Autor zu Berühmtheit gebracht hat. Er nimmt dafür in Kauf, dass Burroughs und Kerouac eher Randfiguren bleiben, von denen der wundervoll verschrobene Ben Foster („The Messenger“, „Lone Survivor“) als in anderen Sphären schwebender Sohn aus reichem Hause und der die hemdsärmelige Playboy-Pose nicht scheuende Jack Huston („Boardwalk Empire“, „American Hustle“) aber immerhin eindrückliche Miniatur-Porträts zeichnen.

    Wenn es bisher im Kino um die Autoren der sogenannten Beat-Generation ging, spiegelte sich deren unkonventioneller, überbordender Stil oft auch in der Machart der Filme wider. In „Howl“ mit James Franco oder in David Cronenbergs „Naked Lunch“ sind Werkadaption und Künstlerbiografie nicht nur kunstvoll verwoben, sondern fast schon miteinander verschmolzen. In ihrer assoziativen Sprunghaftigkeit haben diese beiden Filme teilweise mehr Ähnlichkeit mit einem Drogentrip als mit klassisch-geradlinigen Filmerzählungen. Krokidas‘ Debüt ist dagegen ein formal und dramaturgisch konventionelles Biopic, das von seiner dramatischen Handlung und vor allem von den erstklassigen Schauspielern lebt. „Harry Potter“ Daniel Radcliffe agiert sehr zurückgenommen, was zum hier noch eher schüchternen Ginsberg gut passt, und überlässt die Bühne bereitwillig Dane DeHaan („The Amazing Spider-Man 2“) als Lucien Carr. Zwischen den Energieausbrüchen des jungen Mannes, der sich zum Anführer der Schriftstellerrebellen aufschwingt und dem unsicheren Schützling, der sich nicht von seinem Mentor befreien kann, trifft DeHaan alle Facetten perfekt. „Dexter“ Michael C. Hall überzeugt daneben als jener Ex-Professor, der im ersten Moment wie ein faszinierender Förderer der Freigeister erscheint, sich aber nach und nach als verzweifeltes armes Würstchen entpuppt; dazu sind selbst kleinste Rollen mit erstklassigen Schauspielern besetzt – von Shootingstar Elizabeth Olsen („Oldboy“) als Kerouacs Freundin bis hin zu Kyra Sedgwick („Gamer“) in einem starken, nicht im Abspann erwähnten Kurzauftritt.

    Fazit: Mit einer eindrucksvollen Besetzung erzählt John Krokidas in „Kill Your Darlings - Junge Wilde“ eine dramatische Episode aus dem Leben von einigen der aufregendsten Literaten aller Zeiten. Zwar hätte deren Hang zum Unkonventionellen auch diesem Debütfilm ganz gut zu Gesicht gestanden, aber nichtsdestotrotz ist die Mischung aus Thriller und Biopic ungemein fesselnd.

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