Vorab: Der Film kommt im Originalton mit deutschen Untertiteln, daran stört man sich aber nach spätestens 15 Minuten nichtmehr. Der O-Ton ist vermutlich auch besser, als eine Synchro es je sein könnte, hier wurde also die richtige Entscheidung getroffen. Schon der Titel zu meiner Rezension strotzt vor Superlativen, denn diese werden in meiner Kritik keine Seltenheit bleiben! Weiterhin empfehle ich wie immer, mit meiner ausdrücklichen Empfehlung, dass sie sich den Film einfach ansehen, es lohnt sich auf alle Fälle. Mögliche Spoiler oder zu hohe Erwartungen könnten den Filmgenuss ungemein mindern, lesen sie meine Kritik also am besten nach dem Genuss von Love Exposure!
Love Exposure ist zügellos - eine Vision von einem Film, die ohne viele Kompromisse umgesetzt wurde. Ein Film, der sich nicht an die üblichen 90 Minuten und den konventionellen Spannungsbogen hält! Die erste Fassung von Love Exposure dauerte zwar 6 Stunden (diese hier knapp 4 Stunden), dennoch:
Den Charakteren wurde genug Zeit gegeben sich zu entwickeln und das ist etwas, was vielen Filmen heutzutage fehlt. Meiner Meinung nach sind es immernoch die Charaktere, die einen Film interessant machen - das kann man mit Einfluss vieles verschiedener Stilmittel noch verfeinern - aber im großen und Ganzen stehen interessante Charaktere für einen guten Film und diese hat Love Exposure, sogar gleich drei Stück. Shion Sono befasst sich in vielen Filmen mit komplexen Elter-Kind Beziehungen, so auch hier - mit einer Verbindung, Religion. Alle drei tragenden Charaktere leiden unter der Last der Religion durch die "Auslegung" dieser der Eltern.
Handlung:
Yu ist ein Mustersohn, der nicht einmal die kleinste Kleinigkeit anstellt. Sein Vater arbeitet seit dem Tod der Ehefrau als Priester. Mit seinem Sohn versteht er sich bestens. Zumindest, bis eine kurze, schließlich scheiternde Beziehung des Vaters mit der wilden Kaori alles verändert. Verlassen und verbittert wird das Familienoberhaupt zunehmend fanatischer und zwingt seinen Sohn wiederholt zum Beichten. Da Yu aber nun mal keine Sünden begeht, muss er dringend etwas anstellen. Er geht beim pflichtbewussten Sündigen immer weiter und trifft schließlich auf eine Gruppe von Herumtreibern. Gemeinsam werden die Teenager von einem schrägen Meister in der Kunst des Unter-den-Rock-Fotografierens (ob ihr es glaubt oder nicht, das sogenannte Tosatsu ist tasächlich so einer Art Martial-Art des japanischen Höschen-Fotografierens.) unterrichtet, was von nun an zu Yus Lebensaufgabe wird. Eines Tages trifft er zudem die schöne Yoko, in die er sich verliebt. Leider hält Yoko, die bis auf Jesus und Kurt Cobain alle Männer hasst, ihn für einen Vollidioten. Stattdessen verliebt sie sich in eine Frau namens Sasori. In Wirklichkeit ist die geheimnisvolle, stets schwarz gekleidete Fremde aber niemand anderes als Yu, der ihr in Frauenkleider gehüllt im Kampf gegen ein paar Schläger zur Hilfe kam. Die Angreifer handelten auf Geheiß der eiskalten Koike. Diese requiriert Mitglieder für eine Sekte und hat die Begegnung von Yu und Yoko eingefädelt. Denn sie verfolgt schon lange einen teuflischen Plan'
Zur Besetzung:
Ehrlich gesagt habe ich von keinem der drei Hauptdarsteller je irgendetwas gehört, nur "Sakura Ando" (Koike) war mir geläufig, da diese eine tragende Rolle im neuen Film von Takeshi Miike, welcher ja auch beim Midnight Screening aufm Filmfestival von Cannes vorgestellt wurde, übernehmen wird, welchem ich freudig entgegen sehe. Aber eines sollte ja sowieso klar sein, gerade talentierte und unverbrauchte Gesichter machen Spaß und wecken Interesse. Takahiro Nishijima (Yu) spiegelt den Geist des Filmes perfekt wieder - so hält ihn seine unsichere, verwirrt ziellose und unfreiwillig komische Facette in manchen Szenen nicht davon ab in anderen Szenen eine angenehme bedachte Ernsthaftigkeit auszustrahlen. Auch als Gangsterbraut Sasori (welche auf dem tatsächlichen vierteiligen Film "Sasori" basiert, geht er voll auf und trägt unheimlich zum Witz und Charme des Filmes bei. Hikari Mitsushima (Yoko) sticht aber am meisten hervor - in der Rolle der Angebeteten spielt sie die makellose Mischung aus naiv, lieblich und wahnsinnig. Sollte ich je einen Film drehen würde ich mich (utopisch gesprochen) sicherlich mit allen Mitteln um sie bemühen, soetwas bekommt man nicht alle Tage zu Gesicht und gerade das Seltene ist doch das, was die Menschen mögen - so auch ich. Sakura Ando (Koike) hat eine eher einseitige Rolle, in dieser brilliert sie aber auch sie. Der Charakter und die Hintergrundgeschichte sind wie maßgeschneidert für sie, leider ist meine Lieblingsszene von ihr nicht im Hauptfilm vorhanden, man findet sie aber bei den Deleted Scenes in den DvD-Extras! Das wären dann auch schon die drei wichtigsten Charaktere
Zur Kamera:
Yasujiro Ozu ist einer der weltweit geachtetsten und einflussreichsten Regisseure Japans. Er sagte, die Handlung muss sich vor der Kamera abspielen, nicht dahinter! Typisch für Ozu waren sehr reduzierte filmische Mittel wie simple Schnitte und unbewegliche Einstellungen, er verzichtete zumeist auf Schwenks, Fahrten oder Überblendungen. Er fokusierte sich voll auf die Handlung und das herausarbeiten der Charaktere.
Shion Sono hingegen sorgt in seinem Film für das genaue Gegenteil. Die Kamera ist nie statisch, sondern immer lebendig und in Bewegung, was "Love Exposure" unheimlich gut steht. Man sieht also von zwei Schaffenden der selben Nationalität eine Kameraführung wie sie anders nicht sein könnte - hierbei geht Sono bestimmt nicht mit dem Zeitgeist, nein, er zeigt, wie im gesamten Film, dass er macht, was er verdammt nochmal machen will und da soll ihm mal niemand was vorschreiben - und das schafft er wahnsinnig gut.
Zum Genre (?):
Viele sprechen bei Love Exposure von einem Film, der alle Genres bedient - ich aber kann ihn vor allem einer Art von Film zuordnen, sofern man diese so nennen kann, denn sie ist so weit ich weiß meistens nur in Animes gebräuchlich. Love Exposure ist für mich ein "Slice of Life" Film, denn er fließt dahin wie das Leben, zeigt Ausschnitten (Slices) der Leben verschiedener Personen und ist auf seiner ganz eigenen Ebene verdammt ECHT! Ja richtig, echt. Filme haben ihre eigenen Regeln und Darstellungsformen, Love Exposure ist dabei unheimlich konsequent - er zeigt zwar viele verschiedene Facetten der Darsteller und viele sind alles andere als realistisch, aber sie sind den für diesen Film geltenden Regeln nach echt!
Zum Schnitt:
Love Eposure ist in Sachen Schnitt nicht die erste Zusammenarbeit von Shion Sono mit Jun'ichi Ito. Auch schon bei anderen bekannten Filmen dieses Regisseurs sorgte er für den richtigen Schnitt (Hair Extension, Strange Circus, Cold Fish uvm.). Es war bestimmt eine große Herausforderung und viel Arbeit aus der 6 Stunden langen Rohfassung und dem Material letztendlich die hier vorliegende 228 Minuten Version zu erstellen. Jun'ichi Ito aber erschafft eine turbulente Fahrt durch das Leben und durch die Handlung von Love Exposure, Professionalität von einer anderen Welt!
Musik:
Der Soundtrack geht direkt ins Ohr und verlässt es so schnell nicht wieder. Trotz seiner Länge begleiten wenige Lieder den Film, unterstreichen den Charme und die Atmosphäre aber grandios. Von Bolero's Ravel (sehr Marschmusikmäßig, passt zum "Schritttempo"!) und Beethovens 7. Symphonie bis hin zu J-Rock und Tönen abseits des Klassiks.
Die DvD
Enthalten sind:
Der Hauptfilm auf 2 DvDs
Eine Dokumentation zum Making-of von Love Exposure
Deleted Scenes
Das Covermotiv ist schön und auch die Innenseite ist bedruckt mit einem eindringlichen Motiv aus dem Film. Der Hauptfilm ist makellos, die Untertitel sind durchweg zufriedenstellend. Die Dokumentation gewährt einen guten Einblick und die deleted Scenes wurden gut gewählt, auch meine Lieblingsszene mit Koike ist hier enthalten. Top!
Fazit: Einen guten Film zeichnet unter anderem aus, dass man nachdem er vorbei ist MEHR will. Nichts ist im Kino schlimmer, als wenn man sich eigentlich das Ende herbeisehnt. Love Exposure schafft es tatsächlich, dass man selbst nach vollen 228 Minuten noch nicht genug hat! Nicht jeder wird so empfinden. Die besten Chancen, den Film zu genießen hat man wiedermal, wenn man unvoreingenommen an ihn herangeht - die falschen Erwartungen zerstören jeden Film, da ist Love Exposure keine Ausnahme. Love Exposure fließt dahin wie das echte Leben, wie das echte Leben von Love Exposure, wenn sie verstehen, was ich meine - wie ich vorhin bereits erwähnte, der Film ist seinen eigenen Regeln und Gesetzen nach verdammt echt - wenn man unsere Realität und Anschauung der Dinge beiseite lässt. Shion Sono bringt Emotionalität auf eine neue Ebene und schafft somit eines dieser mutigen und innovativen Filmerlebnisse. Gerade Fans der japanischen Kultur sollten hier nicht länger zögern und zuschlagen!
Ich habe mit meinen recht jungen 19 Jahren geschätzte 700-800 Filme gesehen und bin ein riesen Kinofan. Dieser Film schafft es locker, obwohl es für Filmfans immer schwierig ist eine Rangliste zu erstellen, in meine ungeordnete Top-10! Hierbei bin ich natürlich subjektiv ohne Ende, aber auch objektiv kann man behaupten, dass Love Exposure ein unheimlich guter Film ist, am besten bilden sie sich einfach eine eigene Meinung - stellen sie sich den perfekten Film vor und dann schauen sie Love Exposure!
Volle Punktzahl! 5/5 Sterne